Veteranentag: Bootsfahrt wie Heinemann statt Paraden-Pomp
25.04.2024 – Dietmar Bartsch: Natürlich gebührt den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Respekt, Anerkennung und Würdigung. Der Bundestag trägt eine besondere Verantwortung. Der Begriff „Parlamentsarmee“ darf aber nicht hohl werden. Die Einführung eines Tages für Veteraninnen und Veteranen ist zuerst Symbolpolitik. Wer kümmert sich um diejenigen, die in die Einsätze geschickt worden sind? Ein Tag für Veteraninnen und Veteranen „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ lässt alles offen. „Öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sowie zentral in Berlin“ bedeutet letztlich: Militärparade in irgendeiner Form. Sparen Sie sich das Geld und machen es ähnlich wie Gustav Heinemann, der auf einen Zapfenstreich zur Verabschiedung als Bundespräsident verzichtete und stattdessen Menschen zu einer Bootsfahrt auf dem Rhein eingeladen hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Veteraninnen und Veteranen! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Ich habe hier viele Reden mit Dank gehört, zum Beispiel von Johannes Arlt. Ich habe von Frau Vieregge gehört, das Thema habe „herausragende Bedeutung“. Der Minister hat das gewürdigt. Das alles würde dann stimmen, wenn auf der Regierungsbank ein paar Minister mehr sitzen würden,
(Beifall bei der Linken – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wenn der Antrag nicht erst Dienstagabend vorliegen würde, wenn die Vorlage dieses Antrags nicht x-mal verschoben worden wäre. Das gehört nämlich auch mit zur Wahrheit, meine Damen und Herren.
(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Genau! – Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Ja, natürlich verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten Respekt, Anerkennung und Würdigung, und natürlich haben wir als Deutscher Bundestag eine besondere Verantwortung. Der Begriff der Parlamentsarmee darf allerdings nicht hohl werden. Und ich habe doch Zweifel, ob der Veteranentag dem dient.
Die Einführung eines Tags für Veteraninnen und Veteranen ist aus meiner Sicht zuallererst Symbolpolitik. Was ist denn an den anderen 364 Tagen?
(Beifall bei der Linken – Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Richtig!)
Wer kümmert sich denn um diejenigen, die wirklich in die Einsätze geschickt worden sind? Dass wir uns um sie kümmern müssen, ist ja sehr vernünftig. Aber in dem Antrag steht so wunderschön: „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Ich meine, meine Damen und Herren, das lässt alles, aber auch wirklich alles offen. Was ist denn eigentlich, wenn gar keine Mittel zur Verfügung stehen?
(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Wichtige Frage!)
Ich finde, das geht so nicht.
Lieber Johannes Arlt, konkrete Hilfe haben wir alle in unseren Wahlkreisen, gerade auch für Betroffene, vielfach geleistet. Das ist richtig so, und das ist auch gut so; das ist unsere Verantwortung.
(Beifall bei der Linken)
Aber, meine Damen und Herren, am 15. Juni dann einen solchen Tag zu veranstalten, reiht sich ein Stück weit ein in eine atmosphärische Veränderung in unserer Gesellschaft: Der Minister hat von Kriegstüchtigkeit gesprochen,
(Wolfgang Hellmich [SPD]: Ja, richtig!)
Schulen und Schüler sollen für den Kriegsfall vorbereitet werden. – Ich finde, dass das eine höchst problematische Entwicklung ist.
(Beifall bei der Linken – Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: Nee, das ist die Realität! Das ist das Leben da draußen!)
Frieden und Diplomatie sollten in unserem Parlament und in unserem Land auch einen guten Klang haben.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind für Frieden eingestanden, unsere Veteraninnen und Veteranen! Alle!)
Ich will noch darauf aufmerksam machen, dass ein solcher Tag für Veteraninnen und Veteranen ja, wie im Antrag steht, „öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sowie zentral in Berlin“ stattfinden soll. Ich will mal vorsichtig voraussagen, dass das auch dazu führen wird, dass es erhebliche Proteste gibt. Das kann sogar im Ergebnis das Gegenteil von dem bewirken.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Die Sie organisieren! – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie das schon so ankündigen, Herr Bartsch! – Henning Otte [CDU/CSU]: Sie wissen das ja!)
– Ja, natürlich weiß ich das. Ich sage Ihnen das ja. Ich helfe Ihnen ja, wo ich kann. Das ist ja das Beste, was man machen kann.
(Beifall bei der Linken)
Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Meine Meinung ist: Sparen Sie sich dieses Geld, und orientieren Sie sich an dem Bundespräsidenten Heinemann! Er hat damals, als er vor 50 Jahren aus dem Amt schied, kein militärisches Ritual vorgenommen, sondern hat darauf verzichtet und Menschen auf eine Bootsfahrt auf dem Rhein eingeladen.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine schöne Art, den Veteranentag zu begehen! Nehme ich direkt mal auf, die Anregung!)
Ich finde, wir sollten uns eine Militärpräsenz am 15. Juni sparen und lieber Veteraninnen und Veteranen zu einer Bootsfahrt einladen, eine schöne Party machen und das genießen, was zu genießen ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der Linken)