Rede von Dietmar Bartsch am 31.01.2024

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu einigen Grundfragen des Haushalts zurückkehren. Ich will allerdings vorab eines deutlich feststellen: Ich will mich namens der Linken ganz herzlich bedanken für die Organisation der heutigen Gedenkveranstaltung, und ich will mich auch besonders bei Eva Szepesi und Marcel Reif bedanken. Das waren hervorragende Reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und bei fraktionslosen Abgeordneten)

Ich würde mir wünschen, dass diese Reden in jeder Schulklasse einmal angehört werden und dass darüber gesprochen wird. Das wäre meines Erachtens für unser Land sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, FDP und bei fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst daran erinnern, warum wir heute überhaupt über den Haushalt für das laufende Jahr diskutieren. Das Bundesverfassungsgericht hat die Tricksereien der Ampel ausgebremst. „Verfassungswidrig“, war das Urteil. Das ist die größte Klatsche für eine Regierung, die es überhaupt geben kann. Darauf will ich noch mal verweisen.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu dem, was in vielen Reden, die heute gehalten worden sind, gesagt wurde, ist die Situation im Lande dramatisch.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Da hat er recht!)

Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent zurückgegangen. In keiner anderen OECD-Nation ist das so gewesen. Und für das erste Quartal in diesem Jahr wird übrigens auch ein Minus prognostiziert. Die Inflation lag im letzten Jahr im Durchschnitt bei 5,9 Prozent – das ist eine Katastrophe – und nicht annähernd bei den 2 Prozent, die Zielrichtung der EZB waren. Die Lage ist doch eine wirkliche Katastrophe. Wir befinden uns in einer Rezession, und das muss ausgesprochen werden.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Für diese Rezession haben viele Verantwortung, und wenn der Bundeskanzler sagt, die Stimmung im Land ist unruhig, dann hat er schlicht unrecht. Es brodelt im Land. Das ist die Situation, meine Damen und Herren!

Natürlich ist es korrekt, auch von der Ampel, auf die 16 Jahre von Angela Merkel zu verweisen. Aber eines will ich den lieben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten doch sagen:

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Den Genossinnen und Genossen!)

In den letzten 26 Jahren haben Sie 22 Jahre Mitverantwortung in der Regierung getragen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Da können Sie doch nicht so tun, als ob die jetzige Situation mit Ihnen nichts zu tun hat. Das ist doch nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, gerade in stürmischen Zeiten braucht es eine Bundesregierung, die einen Haushalt vorlegt, der das Land und den sozialen Zusammenhalt stärkt und der auf die Zukunft schaut. Aber Sie tun genau das Gegenteil. Sie legen eine Belastungsorgie für die Mehrheit im Land vor. Sie verteuern den ohnehin schon teuren Alltag für viele Menschen in diesem Land. Und Sie versuchen, uns hier und den Bürgerinnen und Bürgern ein X für ein U vorzumachen. Das ist doch alles nicht wahr, was Sie hier sagen.

Der Bundesfinanzminister, der jetzt auch nicht mehr da ist, obwohl hier eine Haushaltsberatung ist, sagt anlässlich der richtigen und friedlichen Bauernproteste: Alle müssen einen Beitrag leisten, wenn wir keine allgemeinen Steuererhöhungen wollen. – Das sind zwei Unwahrheiten in einem Satz. Die Wahrheit ist doch: Sie schonen sich, und Sie schonen den Geldadel. Natürlich steigen die allgemeinen Steuern. Ob es die Mehrwertsteuer, das Heizen, Tanken, Essengehen, Schulessen ist: Vieles wird teurer, damit Sie Ihre Haushaltslöcher stopfen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Alle leisten einen Beitrag? Nein, eben nicht alle. Während Sie den Landwirten nur über den Agrardiesel in diesem Jahr 176 Millionen Euro aus den Rippen schneiden wollen, haben Sie für mehr als 200 Millionen Euro Helikopter gekauft. Luxushubschrauber für die Regierung! Das ist doch unangemessen.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, in dieser Situation die Ausgaben für das Kanzleramt nicht auf den Prüfstand zu stellen? 1 Milliarde Euro wird das am Ende kosten. Wir haben jetzt schon die größte Regierungszentrale der Welt. Und da soll die Fläche noch mal verdoppelt werden? Also denken Sie doch mal darüber nach! Alle? Nein, genau da wird eben nicht gespart.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Und dann haben Sie noch die Chuzpe, 11 500 neue Beamtinnen und Beamte einzustellen. Die Mehrkosten betragen 7 Milliarden Euro.

Ich will nur ein Beispiel nennen: Frau Geywitz. Frau Geywitz steht ja für 400 000 neue Sozialwohnungen. Das wird ja nicht annähernd erreicht; nicht mal die Hälfte wird erreicht. Aber bei den Beamtinnen und Beamten gibt es ein Plus von 130 Prozent. Das ist die Wahrheit.

Ihre Aufgaben lösen Sie nicht, aber Sie bedienen sich selbst. Die Bundesregierung ist unter der Ampel zu einem Selbstbedienungsladen verkommen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten und des Abg. Mike Moncsek [AfD])

Sie agieren vielfach wie der Vorstand der Deutschen Bahn: Für unsere Leute muss zuallererst gesorgt werden. – Ich will noch mal daran erinnern: 3 000 Euro Inflationsausgleich für Minister, Tausende neue Mitarbeiter. „Was kostet die Welt?“ ist offensichtlich Ihr Motto. Nein, das geht so nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Sehr geehrter Herr Lindner – er ist ja nicht da –, wissen Sie, was nach Ihrem eigenen Bericht die höchste Subvention in Deutschland ist? Das sind nach Ihrem eigenen Bericht die Ausnahmen für Großerben. Denn je größer das Vermögen, das vererbt wird, desto niedriger die Steuerlast.

(Otto Fricke [FDP]: Das ist doch gar nicht im Bundeshaushalt!)

Nach Ihrem eigenen Bericht kostet das 4,5 Milliarden Euro. Aber das stört Sie nicht. Herr Lindner ist der Vermögensverwalter des Geldadels, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Sie schützen diese Subventionen und holen sich das Geld lieber bei den Bauern und der übrigen arbeitenden Bevölkerung. Was ist eigentlich aus dem Respekt geworden, von dem der Bundeskanzler im Wahlkampf gesprochen hat?

Ja, Rolf Mützenich hat vorhin völlig zu Recht auf das Thema Kindergeld verwiesen. Also, was ist da eigentlich los? Da lese ich dann, dass Herr Lindner meint, dass er den Topverdienern

(Bijan Djir-Sarai [FDP]: Den Steuerzahlern, nicht den Topverdienern!)

noch mehr Taler zuschustern müsste. Herr Mützenich hat ja hier behauptet, das findet nicht statt. Na, ich bin ja sehr gespannt, was da wird. Richtig wäre es, das Kindergeld allen auszuzahlen und den Kinderfreibetrag zu streichen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das wäre verfassungswidrig!)

Das wäre richtig, das wäre auch gerecht, das wäre eine Lösung.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, auch Politiker müssen natürlich nicht bei allen Themen alles wissen; das ist doch völlig klar. Aber die Rente ist schon ein Thema, das dann doch sehr viele berührt; 21 Millionen Menschen in unserem Land sind da betroffen.

Und die Rente liegt leider nicht durchschnittlich bei irgendwas um 2 000 Euro, wie Ricarda Lang unlängst erzählt hat. – Das trifft übrigens für Bundestagsabgeordnete zu, nach acht Jahren; ohne dass wir einen Cent eingezahlt haben. Vielleicht gibt es da auch ein Problem? Aber für Rentner gilt: Nach 45 Jahren durchgängiger Arbeit bekommen sie circa 1 500 Euro – das ist die Realität, die man als Abgeordneter kennen sollte –, und dann kommt auch noch die Rentensteuer.

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Laut Statistischem Bundesamt hat fast jeder zweite Rentner weniger als 1 250 Euro Nettoeinkommen. Und Sie wollen die Rentner in diesem Jahr mit 3,5 Prozent Erhöhung noch mal abspeisen. Das ist wieder Einkommensverlust, Reallohnverlust. Das ist die Wahrheit: Das vierte Jahr in Folge weniger im Portemonnaie! Und das in der stärksten Volkswirtschaft Europas! Ist denn das normal: Unser Rentenniveau liegt 10 Prozent unter dem EU-Durchschnitt – in der stärksten Volkswirtschaft Europas! Da ist was nicht in Ordnung, da braucht es eine Generalüberholung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Ich will noch einen kleinen Mosaikstein nennen: Machen Sie doch den Weg frei, damit endlich wir alle, auch wir Abgeordnete, verpflichtend in die Rentenkasse einzahlen.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Wir hatten in der letzten Legislatur eine Diskussion darüber. Da waren Sozialdemokraten dafür, da waren Grüne dafür. Warum machen wir das nicht? Das könnte man doch mal machen. Am Ende brauchen wir den Übergang zu einer Rentenkasse, in die alle einzahlen. Das wäre dringend notwendig.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, im Herbst finden in drei ostdeutschen Bundesländern Wahlen statt. Ich finde es sehr ermutigend – um das auch deutlich zu sagen –, dass Hunderte für die Demokratie und für Menschenrechte auf die Straße gegangen sind.

(Zuruf von der AfD: Hunderte?)

Aber zur Wahrheit gehört eben leider auch, dass die selbsternannte Fortschrittskoalition mit ihrem Streit, mit ihrer katastrophalen Kommunikation, mit ihren gebrochenen Wahlversprechen diejenigen gestärkt hat, die unser Zusammenleben offen infrage stellen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das stimmt! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Hoffentlich wird euch diese Position nicht irgendwann einholen!)

Das muss ausgesprochen werden,

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

meine Damen und Herren: Sie sind ungewollt zu einer Werbeagentur für die da geworden. Das können Sie nicht wollen – das können Sie nicht wollen! –, und ich hoffe, dass Sie das verändern.

Gucken Sie sich doch Ihren eigenen Koalitionsvertrag an: Kindergrundsicherung, was ist daraus geworden? Null.

Klimageld, was ist daraus geworden? Auch nichts. Im Kern ist es doch so: Wenn Christian Lindner sagt, er möchte das nicht, dann kommt das nicht.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Mein letzter Satz –

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

– ist der, dass der Haushalt für Otto Normalverbraucher wirklich eine Horrorrechnung ist. Wenn Sie nicht real umsteuern, dann wird es so wie bei der Deutschen Bahn: Dann kann das Land entgleisen, meine Damen und Herren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten – Heiterkeit der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])