Schluss mit dem zynischen Verarmungsprogramm der Ampel!

06.07.2022 – Dietmar Bartsch: Der Bundeskanzler spricht selbst von sozialem Sprengstoff. Wann schickt er endlich das Entschärfungskommando? Wir brauchen ein drittes Entlastungspaket, das Bürger wirklich entlastet. Aber statt die Bürger zu schützen, schützen Sie mit Christian Lindner die Schuldenbremse. Jetzt droht ein Lügenhaushalt, der Solidität vorgaukelt und in Wahrheit die Axt an den sozialen Zusammenhalt des Landes legt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin im Gegensatz zu Herrn Audretsch der Union dankbar, dass sie die Aktuelle Stunde aufgesetzt hat; denn jedes dieser drei großen Themen – Konzertierte Aktion, Energiesicherheit, Bundeshaushalt – wäre schon eine Aktuelle Stunde wert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind in einer Situation, in der die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen, wie wir alle wissen, vor dramatischen Herausforderungen stehen. Deshalb hätte der Bundeskanzler hier sein müssen. Statt Sommerpause wäre hier eine Regierungserklärung, wie meine Fraktion gefordert hat, fällig. Das wäre notwendig gewesen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man muss sich doch den Problemen vor der Sommerpause stellen.

Aber natürlich muss ich auch sagen, Herr Merz: Dass Sie nun nach 16 Jahren so gar keine Verantwortung tragen,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das haben wir nicht gesagt!)

ist wohl nicht ganz korrekt. Ich glaube, die Situation im Land hat sehr viel mit Ihrer Regierungsverantwortung zu tun, auch wenn Sie selbst in dieser Zeit nicht hier waren.

Meine Damen und Herren, viele Bürgerinnen und Bürger ächzen unter den Preislawinen im Supermarkt und bei der Energie, wenn die Nebenkostenabrechnungen und die Mieterhöhungen kommen. Das treibt die Bürgerinnen und Bürger in Existenzängste. Letzte Woche – wir alle haben die Zahlen gesehen – hat der Paritätische Wohlfahrtsverband darauf hingewiesen: 13,8 Millionen Menschen gelten als arm. Und Olaf Scholz sagt hier in der Regierungsbefragung auf Nachfrage: Wir haben ganz viel getan. 30 Milliarden Euro! Wir sind toll. – Nein, nicht toll! Angesichts dieser Zahlen ist das inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn er selbst von sozialem Sprengstoff spricht, dann kann ich nur sagen: Wann schicken Sie endlich das Entschärfungskommando? Das wäre notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Genau!)

Der Bundeskanzler hat jetzt die Konzertierte Aktion angestoßen. Da hat er an ein historisches Format anknüpfen wollen.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: An ein gescheitertes Format!)

Aber das Ergebnis ist bisher eine Nullnummer. Es ist eine konzertierte Luftnummer. Die Preise sind jetzt hoch. Jetzt muss agiert werden. Die Gespräche dürfen nicht bis ins nächste Jahr geführt werden. Ich bin sehr gespannt, was real passiert. Wir werden das an den Ergebnissen messen.

Aber eines steht fest: Wenn er sagt, 90 Prozent der Mehrkosten würden für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ausgeglichen, dann ist das eindeutig falsch. Die Wahrheit ist, dass Millionen auf 90 Prozent der Mehrkosten sitzen bleiben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Das ist die Realität, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

8 Prozent Inflation sind real ein Monatseinkommen oder eine Monatsrente. Da reichen auch die 300 Euro Energiepauschale nicht. Sie tun hier immer so, als würde ganz viel getan. Aber es bleibt dabei: Dass Rentnerinnen und Rentner und Studierende die 300 Euro nicht bekommen, ist ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Wir brauchen dringend ein drittes Entlastungspaket. Aber statt die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, schützen Sie die Schuldenbremse von Christian Lindner. Das Ergebnis wird ein Lügenhaushalt sein. Wer etwas anderes sagt, sagt nicht die Wahrheit. Hier wird Solidität vorgegaukelt; aber in Wahrheit legen Sie die Axt an den sozialen Zusammenhalt in unserem Land, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. Dass Sie die Schuldenbremse einhalten, ist eine Märchenstunde. In der Haushaltsrealisierung wird das bei Krieg, Pandemie und den Herausforderungen des Klimawandels niemals möglich sein; das sage ich Ihnen voraus.

(Michael Kruse [FDP]: Bei Ihnen ist das niemals möglich, Herr Bartsch, weil Sie es nicht wollen!)

Offensichtlich haben die Sozialdemokraten Angst vor dem Finanzminister, und das finde ich inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt höre ich immer so tolle Vorschläge wie „weniger heizen“ oder „kürzer duschen“. Ehrlich gesagt: Ich empfinde das als zynisch. Im Klartext ist es doch so, dass Sie keinen Plan haben, wie die Menschen ihre Wohnzimmer im Winter warm bekommen sollen. Das ist das Gegenteil von Verantwortung, meine Damen und Herren. Sie reden hier von Energiesicherheit. Was sagte Olaf Scholz in der Regierungsbefragung? Ich zitiere: Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien. – Wie lange regieren Sie denn schon? Sie bringen das erst diese Woche ein. Ein Jahr sind Sie fast schon im Amt.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ein Jahr! Genau so ist es!)

Die Sommerpause steht an. Bis heute ist nahezu nichts passiert bei erneuerbaren Energien. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einen Punkt ansprechen, der mir wichtig ist. Eingestanden hat der Kanzler in der Regierungsbefragung auch, dass es offensichtlich Bereicherung gibt, dass es auch obszönen Reichtum gibt. Dann aber sagt er: Es ist schwierig, da etwas zu machen. – Das Komische ist: Selbst Boris Johnson – gerade nicht so fest im Sattel – kriegt das in Großbritannien hin. In Griechenland kriegt eine konservative Regierung eine Übergewinnsteuer hin. In Italien kriegen sie das hin. Andere Länder handeln, und die Ampel schaut zu, und vor allen Dingen lobt sie sich selbst. Ich glaube, das ist viel zu wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage ganz klar: Statt konzertierter Abgehobenheit brauchen die Bürgerinnen und Bürger konsequente Unterstützung, und zwar jetzt und nicht erst 2023, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wahrheit ist: Sie haben die Lage nicht im Griff und machen Millionen Bürgerinnen und Bürger ärmer. Wenn Sie in der Ampel so weitermachen, dann steht im Winter der soziale Frieden in Deutschland auf dem Spiel. Deshalb sage ich ganz klar: Nutzen Sie die Sommerpause, und bereiten Sie ein drittes, wirksames Entlastungspaket für Deutschland vor! Es ist so dringend notwendig. Tun Sie das! Dann werden Sie auch unsere Unterstützung dafür haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)