Schwere Waffen aus Deutschland verhindern keine Eskalation

28.04.2022 – Dietmar Bartsch: Mit der Angst vor dem Atomkrieg hatte der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen. 72 Stunden später die Kehrtwende. Wir befinden uns in einem fatalen Wettlauf – höher, schneller, weiter: Wer liefert die schwersten Waffen? Wer glaubt, dass der furchtbare Krieg Putins dadurch schneller beendet wird? Dieser Krieg muss sofort enden, darf sich nicht ausweiten. Solidarität mit den Menschen in der Ukraine einerseits, Deeskalation und jede diplomatische Bemühung anderseits, das sind zwei Seiten einer Medaille.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es klar und deutlich zu sagen: Meine Fraktion verurteilt auf das Schärfste den brutalen und völkerrechtswidrigen Krieg, den Putin führt – ohne Wenn und Aber.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Können Sie das noch einmal lauter sagen?)

Der Bundeskanzler hat am vergangenen Wochenende gegenüber dem „Spiegel“ ein Interview gegeben und dort seinen bisherigen Kurs verteidigt, keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern. Ich darf seine Begründung zitieren: „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben.“

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Richtig!)

Millionen Menschen in Deutschland haben genau diese Sorgen und Ängste. Meine Fraktion unterstützt diese Haltung ausdrücklich, und das sollte auch Richtschnur Ihrer Politik sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter anderem mit der Angst vor einem Atomkrieg hat der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen, und zwar zu Recht. Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, dass die Verteidigungsministerin 72 Stunden später das Gegenteil verkündet: Deutschland liefert schwere Waffen in die Ukraine.

(Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Meine Damen und Herren, das heißt: Jeden Tag eine Kehrtwende! Ich komme da nicht mehr mit. Und es geht vielen Menschen in unserem Land so, dass sie da nicht mehr mitkommen. Wir erleben ein Kommunikationsdesaster der Ampel. Herr Klingbeil, ist das die Führung, die Olaf Scholz versprochen hat und die man bei ihm bestellen kann? Sie haben die Schattenminister Hofreiter und Strack-Zimmermann. Die führen eine Paralleldiplomatie. Das ist die Lage bei der Ampel.

(Beifall des Abg. Petr Bystron [AfD] – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Nachdem ich den Antrag gelesen habe, muss ich dem Bundeskanzler sagen: Es tut mir leid, die „Jungs und Mädels“ haben sich tatsächlich durchgesetzt. Das ist die Wahrheit. In Ihrem Antrag machen Sie jetzt sogar China zu einer Konfliktpartei. Wollen Sie wirklich für Frieden sorgen, indem Sie China in dem Antrag aufführen? Nein, das ist das Gegenteil.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Herr Scholz tut jetzt genau das, was andere gewollt haben. Dass vier Tage nach dem „Spiegel“-Interview ein Antrag vorliegt, der im Widerspruch zu seinen Aussagen steht, ist kein Ausweis von Führungsstärke. Das ist das Gegenteil, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Haben Sie den überhaupt gelesen?)

Jetzt zu Ihnen, Herr Merz. Sie haben hier ja so nachdrücklich Ihre Position verteidigt. Was Sie seit Tagen aufgeführt haben, ist ein Schauspiel und hat mit Verantwortung, ehrlich gesagt, nichts zu tun. Das ist der Situation völlig unangemessen, und im Übrigen schadet das dem Ansehen Deutschlands, weil Sie nämlich die Spaltung befördern. Sie haben die drei doch erpresst mit Ihrer Zustimmung zu dem 100-Milliarden-Euro-Paket. Deswegen gibt es doch den Antrag. Sonst hätte es ihn überhaupt nicht gegeben.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein, er hat doch gerade begründet, warum es ihn gibt!)

Das ist letztlich Putins Spiel. Ihnen geht es nicht um die Ukraine. Ihnen geht es um Profilierung und innenpolitischen Geländegewinn, gerade mit Blick auf die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Das ist inakzeptabel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun muss man die Frage stellen, an welchem Punkt wir denn jetzt eigentlich sind. Lieber Rolf Mützenich, Sie haben davon gesprochen – völlig zu Recht –, dass es eine „militärische Schlagseite“ in der Debatte gibt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn er mal sprechen würde!)

Ja, das ist meines Erachtens sogar untertrieben. Es gibt einen fatalen Wettlauf: höher, schneller, weiter. Wer liefert die schwersten Waffen? Glaubt wirklich irgendwer hier im Hause, dass dieser Krieg mit der Lieferung schwerer Waffen beendet wird? Was ist denn eigentlich das strategische Ziel von Deutschland? Was ist denn eigentlich das strategische Ziel der Ukraine? Es wäre doch die Voraussetzung, das zu wissen, bevor man liefert. Warum liefern eigentlich nicht die Amerikaner modernstes Kriegsgerät? Das müssten sie doch eigentlich machen, wenn das so eindeutig wäre. Nein, hier wird viel zu wenig über diplomatische Vorstöße und Initiativen geredet. Herr Guterres war in Moskau und ist heute in Kiew. Das sollte eine Rolle spielen. Da sollte es Unterstützung geben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lassen Sie mich auf die Aussage des Bundeskanzlers zurückkommen: „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben.“ Ja, meine Damen und Herren, das erwarten die Menschen. Das erwarten die Menschen auch von der Bundesregierung, und das muss das oberste Ziel in dieser dramatischen Entwicklung sein; denn darauf haben Sie Ihren Amtseid geschworen. Ich hoffe, dass das, was Sie, Herr Klingbeil, gesagt haben – „Wir hatten … Prinzipien“ –, wirklich ein Versprecher war.

Dieser Krieg Putins muss schnellstmöglich enden. Er darf sich nicht ausweiten. Aber Solidarität mit der Ukraine, mit den Menschen in der Ukraine einerseits, Deeskalation und jegliche diplomatische Bemühung andererseits, das sind zwei Seiten einer Medaille.

Schwere Waffen zu liefern, macht vielen Menschen Angst, meine Damen und Herren. Deswegen werden wir uns auch dagegen positionieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)