Meinungsfreiheit und Annegret Kramp-Karrenbauer

 

Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihre ganz persönliche Wahlkampfauswertung vorgenommen und erklärt, dass künftig die Meinungsfreiheit „reguliert“ werden müsse. Wer assoziiert da nicht die „gelenkte Demokratie“ in einigen Ländern? Es passt jedenfalls zu einem Trend unserer Zeit: der Herausbildung „illiberaler“ Demokratien. Da wird gewählt, es herrscht also das Demokratieprinzip. Aber gelten auch liberale Prinzipien? In einigen Ländern Europas sind diese deutlich geschwächt worden.

Ob nun das Wort wirklich so fiel, ist unklar. Kramp-Karrenbauers Zurückrudern führte jedoch nur zu einer inhaltsgleichen Aussage. Sie beharrte darauf, dass im Netz die gleichen Regeln gelten müssten wie im Printbereich. Wer Regeln einfordert, behauptet, dass es bislang keine oder nur unzureichend viele geben würde. Belege dafür bleibt sie schuldig. Dabei gelten auch für Veröffentlichungen im Internet gleiche oder analoge Rechtsregeln wie im Printbereich. Es ist beispielsweise gleichgültig, ob ich im Internet oder in einer gedruckten Zeitung jemandes Persönlichkeitsrechte verletze, die Verletzung der Persönlichkeitsrechte ist nicht erlaubt.

Aber entscheidend ist etwas anderes. Dass „YouTuber“ ihre Macht dazu nutzen könnten, zur Nichtwahl der Union aufzurufen, ging ihr einfach zu weit. Dabei hat sie kein Problem damit, wenn irgendwelche Promis zur Wahl der CDU aufrufen, zumindest muss sie, falls sie das anders sieht, mit dieser Kritik sehr verdeckt umgegangen sein. Jeder Wahlaufruf zugunsten einer bestimmten Partei ist stets auch ein Aufruf, konkurrierende Parteien nicht zu wählen.

Was wenigstens irritieren sollte: Gerade erst feierten wir den 70. Jahrestages des Grundgesetzes. Vielleicht ging das zu sehr unter im Europawahlkampf? Vielleicht hat sie deshalb die Würdigungen dieser Verfassung, auch durch Redner der CDU/CSU-Fraktion, nicht mitbekommen, die auch den demokratischen und liberalen Gehalt des Grundgesetzes betonten? Offenbar geht so etwas an der CDU-Vorsitzenden vorbei. Ist die Meinungs-und Redefreiheit ein fundamentales Grundrecht, so dass eine Zensur nicht stattfindet oder ist diese für sie nur von geringer Bedeutung?

Klar, es geht um Wahlen, also auch um Macht. Das mag den Ausrutscher der CDU-Vorsitzenden, die die Möglichkeit einer Kanzlerkandidatur nicht ausgeschlossen hat, vielleicht erklären. Rechtfertigen kann man das nicht. Das würde in der Konsequenz bedeuten, Grundrechte und Demokratie im Zweifel den eigenen Machtinteressen auch zu opfern. Es kann sein, was ich nicht hoffe, dass sich in dieser Frage die Zeiten ändern, aber so kann man nicht Kanzlerin werden. Ob man so CDU-Vorsitzende bleiben kann, geht mich dagegen nichts an. Das muss die CDU klären.

Tatsache ist, dass Annegret Kamp-Karrenbauer seit dem Sommer 2018 autoritäre Testballons steigen lässt. Das begann mit der recht merkwürdigen Wehrdienstdebatte, die sie lostrat. Die Wahlen zur CDU-Vorsitzenden zeigten, dass sie es mit zwei ideologisch unterschiedlichen Gegenkandidaturen zu tun hatte: Friedrich Merz, der einen harten Neoliberalismus repräsentierte, wie er zur Schröder-Zeit en vogue war, und Jens Spahn, der eine Mixtur aus rechtskonservativen und neoliberalen Ideen repräsentiert. Da muss sie sich, wenn sie nicht als Merkel-Derivat erscheinen will, profilieren: In Absetzung zu Merkel und konkurrenzfähig mit rechten Strömungen in der CDU. Wie auch immer, die CDU nach Merkel könnte wieder deutlich nach rechts rücken.

Wie dem auch sei, eines kann ich hier schon versprechen. Linke wollen alles Mögliche regulieren. Die Meinungsfreiheit gehört nicht dazu.