KPD – 100 Jahre

Die Gründung der KPD wirkte zunächst wie ein kaum registrierungswürdiges Nebenereignis in der deutschen Revolution 1918/19. Nach dem Mord an ihren prominentesten Führungspersonen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 1919 war auch nicht damit zu rechnen, welche Bedeutung diese Partei in der Weimarer Republik erlangen sollte. Sicher würde man heute in der Gründung der KPD nicht mehr das wichtigste Ereignis der Novemberrevolution sehen, diese Wertung entsprang einer Zeit, in der man den Staatssozialismus noch mit Ewigkeitsgarantie ausgestattet wahrnahm. Aber sie bleibt ein wichtiges Ereignis in der Geschichte unserer Partei und damit auch der Geschichte der Linken in Deutschland.

Jedoch war diese Parteigründung nicht der Beginn der Spaltung der Arbeiterbewegung. Die eigentliche organisatorische Spaltung der Arbeiterbewegung erfolgte entlang der Kriegsfrage. Nur wenige Tage vor Beginn des Ersten Weltkrieges rief der Parteivorstand der SPD zu einer Großdemonstration gegen die drohende Kriegsgefahr auf. Die Partei appellierte an die Arbeiter, sich nicht durch den imperialistischen Nationalismus vereinnahmen zu lassen. Nur wenig später stimmte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion den Kriegskrediten zu. Partei und Gewerkschaften verfolgten plötzlich die „Burgfriedenspolitik“ und propagierten die Mär von der Vaterlandsverteidigung. Der deutsche Monarch Wilhelm II. erklärte, er kenne keine Parteien, sondern nur noch Deutsche, und die SPD wurde deutsch. Es ist nicht leicht zu erklären, was diesen extremen Schwenk der SPD, der sich innerhalb weniger Tage vollzog, bewirkt hat. Opportunismus? Sicher auch. Der Hintergrund dürfte der sein, dass der SPD immer vorgeworfen wurde, ein Verein „vaterlandsloser Gesellen“ zu sein. Im Wilhelminischen Deutschland hieß das mindestens: Mit denen ist kein Staat zu machen. Das Opportunistische bestand darin, sich die wirklich ungeeignetste Situation, die Unterstützung eines imperialistischen Krieges, auszusuchen, um die eigene Staatstauglichkeit zu demonstrieren. Zudem hatte sich ein Großteil der Funktionäre aus Partei und Gewerkschaften recht gut eingerichtet. Das Reden von Sozialismus und Revolution hatte für sie keinen konkreten Sinn mehr, es war folkloristisches Beiwerk der Parteitage. Nie wäre es ihnen in den Sinn gekommen, auf den Krieg mit der Revolution zu antworten. Auch gab es in der SPD Nationalisten und Militaristen. Das ist einer militaristisch geprägten Gesellschaft nicht verwunderlich. Es gab aber auch Mitglieder, die die Ideen des proletarischen Internationalismus ernst nahmen und den Militarismus und Imperialismus vehement ablehnten.

Diese ideologische Spannung innerhalb der SPD barg ein Spaltungspotenzial in sich. 1917 gründete sich die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), da Friedrich Ebert alle Mitglieder der Reichstagsfraktion, die sich der Kriegsunterstützung verweigerten, aus Partei und Fraktion auszuschließen begann. Damit wurde die Grundlage für eine linke Partei geschaffen, die sozialistische Politik links von der SPD, die sich dann eine Zeit lang MSPD (Mehrheitssozialdemokratie) nannte, betreiben wollte. In dieser neuen Partei fanden sich alle wieder, die Ende des 19. Jahrhunderts Kontrahenten im Revisionismusstreit waren: Rosa Luxemburg, Karl Kautsky und Eduard Bernstein. Das zeigt übrigens auch, wie ungerechtfertigt die Inanspruchnahme Bernsteins durch die rechte Sozialdemokratie bis heute ist. Bernstein war immer Sozialist und Antimilitarist. Die Differenz zu Luxemburg, wie man zum Sozialismus käme, wurde zur Winzigkeit angesichts des imperialistischen Weltkriegs, den das Wilhelminische Deutschland auslöste. Warum dann eine weitere Partei, die Kommunistische Partei Deutschlands, gründen? Eine Partei, von der zu befürchten war, dass sie einflusslos bleiben würde? Das ist nur vor dem Hintergrund der Revolutionsdynamik verständlich. Nicht die SPD hat die Massen in die Revolution geführt, eher war es anders herum. Der Matrosenaufstand in Kiel löste Aufstände in ganz Deutschland aus und die SPD sah sich genötigt, die Republik zu fordern und auszurufen. Als Revolutionsregierung bildete sich der Rat der Volksbeauftragten, ein paritätisch aus Vertretern der SPD und USPD zusammengesetztes Gremium. Trotz der Parität hatte die SPD ein strukturelles Übergewicht, da sie den Regierungschef und den Verteidigungsminister stellte.

Die ursprüngliche Differenz in der Kriegsfrage, die zur Bildung der USPD führte, verstärkte und vertiefte sich nun in der Stellung zur Revolution. Während die SPD eine möglichst schnelle Beendigung der revolutionären Auseinandersetzungen wollte, drängte die USPD auf eine Vertiefung der Revolution. Dabei ging es um Fragen wie: Parlamentarische Republik oder Räterepublik? Etablierung sozialer Grundrechte im Verfassungsprozess oder Sozialisierung der Produktionsmittel? Einbindung der kaiserlichen Armee in die Sicherheitsarchitektur oder Aufstellung revolutionsloyaler Einheiten? Vertrauen in kaisertreue Bürokratie oder deren Kontrolle und demokratischer Umbau des bürokratischen Staatsapparats?
Man kann gegen Friedrich Ebert sagen, was man will. Aber in einer Hinsicht besaß er Geschick: Er schuf vollendete Tatsachen. So erledigte er unmittelbar nach der Ausrufung der Republik die Frage nach der Zukunft der kaiserlichen Armee durch den Ebert-Groener-Pakt. Insgesamt kam die USPD politisch nicht in die Vorhand. Sie verließ den Rat der Volksbeauftragten Ende 1918 aufgrund der „Weihnachtskämpfe“, hatte aber außer Protest gegen die Ebert-SPD und eigene Unschlüssigkeit strategisch wenig zu bieten. Vermutlich hat das den „Spartakusbund“, also eine Gruppierung der radikalen Linken, der bislang innerhalb der USPD agierte, dazu bewogen, sich als KPD auszugründen. Der Spartakusbund selbst entstand aus der „Gruppe Internationale“, die zunächst aus sozialdemokratischen Abgeordneten bestand, die den Krieg ablehnten. Es entstanden wichtige Publikationen wie die „Junius-Broschüre“, von Lenin als „Ehrenrettung“ der deutschen Sozialdemokratie gelobt. Als Autor vermutet man Rosa Luxemburg oder Otto Rühle. Mit der Gründung der USPD entschied die Spartakusgruppe den Übertritt derselben zur USPD, blieb aber organisatorisch autonom.

Bekannt ist, dass Rosa Luxemburg eine Gegnerin dieser Ausgründung, also der Gründung der KPD, war. Sie sah die Gefahr einer sektiererischen Entwicklung. Jedoch konnte sie sich mit ihrer Sicht nicht durchsetzen. Dann votierte sie gegen den vorgesehenen Parteinamen. Ihr Vorschlag war „Sozialistische Partei“. Dieser Name sollte zeigen, dass man sich dezidiert als Partei der Arbeiterbewegung versteht. Auch damit kam sie nicht durch. Ebenso wenig gelang es ihr, sich hinsichtlich der Teilnahme an den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung durchzusetzen. Der Beschluss des Gründungsparteitages lautete Nichtteilnahme. Es ist erstaunlich, dass Rosa Luxemburg, trotz ihrer politischen Differenz zur Parteimehrheit, überhaupt Vorsitzende der jungen Partei wurde. Vermutlich lag das an ihrer außerordentlichen Prominenz. Wie ging es weiter? Nach der Ermordung ihrer führenden Köpfe, nach Luxemburg und Liebknecht fiel im März 1919 auch Leo Jogiches den Schergen der Reaktion zum Opfer, übernahm Paul Levi die Geschäfte der Partei. Paul Levi war Rechtsanwalt, auch der Anwalt Luxemburgs, und orientierte auf eine Linie der Arbeit in den demokratischen Institutionen. So trat unter seiner Führung die KPD zu den Reichstagswahlen an. Der linke, mitgliederstarke Flügel der USPD strebte die Mitgliedschaft in der Komintern an, was jedoch nur dadurch möglich war, dass sich KPD und linke USPD vereinigten. Mit der Teilnahme der KPD an den Reichstagswahlen 1920 war ein aus Sicht der USPD bestehender Hinderungsgrund für eine mögliche Vereinigung entfallen, KPD und linke USPD bildeten 1920 die VKPD, die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands. Der größte Teil der geschwächten Rest-USPD ging 1922 zur SPD zurück, um dieser ein stärker linkes Profil zu geben. Es blieb noch ein Kleinstrest der USPD, der bis 1931 fortbestand, um dann in der SAP, einer anderen Linksabspaltung der SPD, aufzugehen.

Die VKPD hatte nun eine starke Mitgliederbasis, auf deren Grundlage sie zu einer einflussreichen Partei wurde. 1922 kehrte die Partei zu ihrem alten Namen zurück. Die Politik der KPD schwankte zwischen Anerkennung der Weimarer Demokratie – Teilnahme an Wahlen, auch an Landesregierungen wie in Sachsen und Thüringen – und revolutionärem Aktivismus bis hin zum Putschismus. Die erste Linie wurde von Paul Levi und Clara Zetkin vertreten, die zweite wurde seitens der Komintern gefordert und von der Parteilinken wie etwa Ruth Fischer vertreten.
Es gelang der KPD daher nie, sich klar und deutlich auf die Seite der Demokratie zu schlagen. Der zunehmende Einfluss Stalins auf die Partei verstärkte dieses Defizit. Das zeigt sich besonders an strategischen Fehlleistungen wie der Orientierung an der Sozialfaschismustheorie. Damit schwächte die KPD ihre Fähigkeit, die Demokratie gegen ihre reaktionären Feinde zu verteidigen. Das bedeutet nicht, dass ich das dümmliche Gerede unterstütze, wonach die Weimarer Demokratie an ihren Feinden von rechts und links gescheitert sei. Die Weimarer Demokratie ist an vielem gescheitert. Erstens daran, dass man die demokratiefeindlichen Eliten in Militär, Verwaltung, Justiz und Polizei hat weitermachen lassen. Das hat zweifelsfrei die SPD zu verantworten. Zweitens, dass infolge der Weltwirtschaftskrise die Basis für den Weimarer Reformismus abschmolz. Drittens, dass die Reaktion Strategien entwickelte, die Demokratie abzuschaffen, notfalls unter Einbindung der Nazis. Viertens scheiterte die Weimarer Demokratie daran, dass die Nazis tatsächlich Nazis waren, die die einmal eroberte Macht rücksichtslos festigten und ausbauten. Kritik ist an der KPD dennoch zu üben. Sie war leider kein verlässlicher Bündnispartner für die Sozialdemokratie, als um die Demokratie gekämpft werden musste. Das Verhältnis zwischen beiden Arbeiterparteien war vergiftet, ruiniert. Angesichts dessen, was folgte, ein schweres Versagen.

Die faschistische Barbarei begann mit der Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung und der rücksichtslosen Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Viele Opfergruppen finden sich unter den Verfolgten des Naziregimes. Aber die ersten Konzentrationslager wurden für die Inhaftierung der politisch Verfolgten errichtet. Trotz des mutigen Widerstands vieler gelang es den Deutschen nicht, das Naziregime aus eigener Kraft zu beseitigen. Dazu gab es zu viel Einverständnis, Opportunismus und Einschüchterung. Angesichts des schnell aufgebauten Terrorapparats kann man auch von niemandem verlangen, sein Leben zu riskieren. Wie dem auch sei: Die Befreiung kam von außen. Nur durch die Opferbereitschaft der Völker der Sowjetunion – dieses Land verlor 27 Millionen Menschen – und durch die Bildung der Antihitlerkoalition konnte Deutschland von der Naziherrschaft befreit werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiterparteien in den Besatzungszonen wieder zugelassen. Während sich KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone vereinigten, eher unfreiwillig, flammte der Zwist zwischen KPD und SPD in den westlichen Zonen wieder auf. In der Bundesrepublik sank der Einfluss der KPD rasch, 1956 wurde sie verboten. Die aus der Vereinigung von KPD und SPD hervorgegangene SED verwandelte sich ab 1948 in eine Partei „neuen Typs“, also eine marxistisch-leninistische Partei. Bald folgten Ausschlussverfahren im Zuge einer Säuberungswelle.

Mit dem Scheitern des Staatssozialismus wurde die Anerkennung der Demokratie zur zwingenden Voraussetzung der Weiterexistenz einer sozialistischen Partei. Die PDS brach mit den stalinistischen Ideologien und Herrschaftsformen und orientierte sich programmatisch neu. Anerkennung der Demokratie heißt nicht nur, dass eine demokratische Herrschaftsform irgendwann einmal in der leuchtenden Zukunft des Sozialismus in Aussicht gestellt wird; es bedeutet auch und zuerst, dass die politischen Mittel und Wege, die im Kampf um eine bessere Gesellschaft genutzt und beschritten werden, immer demokratisch sein müssen. Damit fand die sozialistische Partei, die historisch der KPD entstammte, erst spät zu einer Einsicht, die dieser in der Weimarer Demokratie fehlte.