Organspende wider Willen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine Debatte über die Organspende angestoßen. Richtig und wichtig! Sein Vorschlag ist die doppelte Widerspruchslösung. Sie besagt, dass im Prinzip jeder Mensch, sobald die Hirntoddiagnose gestellt wird, ein Organspender sein kann. Dabei gibt es zwei Ausnahmen: Entweder man hat zu Lebzeiten der möglichen Organentnahme widersprochen oder, falls das nicht der Fall ist, Angehörige legen einen Widerspruch gegen die Organentnahme ein – aus welchen Gründen auch immer. In vielen Ländern Europas ist die doppelte Widerspruchslösung rechtliche Realität.

Es gibt viele Gründe, warum es Menschen gibt, die gegen eine derartige Lösung sind. Dazu zählt beispielsweise die altliberale Vorstellung vom Eigentum der Person an ihrem Körper, gut ausformuliert von John Locke. Nur ist der Mensch, sobald er tot ist, keine Person mehr. Während sein sonstiges Eigentum an Erben übergeht, werden Leichenteile eigentlich nicht vererbt. Auch gibt es in der christlichen Überlieferung die Vorstellung von der Wiederauferstehung der Toten. Damit sind wirklich die Körper gemeint, die also möglichst unversehrt unter die Erde müssen. Nur glauben bei weitem nicht alle an die Wiederauferstehung, und die, die es tun, können nicht ernsthaft erwarten, dass ihre persönliche Sicht alleiniger Legitimationsgrund für eine mögliche Gesetzgebung sein soll. Allerdings gilt auch, dass uns die kulturellen Hintergründe für unsere Einstellungen nicht präsent sein müssen, trotzdem sind sie wirksam.

Ein weiterer Grund für eine Skepsis gegenüber der Widerspruchslösung besteht darin, dass Missbrauch betrieben werden könnte. Vielleicht lässt man Menschen schneller sterben, um an Organe zu kommen? Hier muss sichergestellt werden, dass Missbrauch ausgeschlossen werden kann.

Ich selbst bin von den Einwänden gegen eine Widerspruchslösung nicht überzeugt. Daher neige ich zu dieser Lösung.

Eines darf man aber nicht glauben: dass sich dadurch die Zahl der Transplantationen signifikant erhöht. Schon heute ist es so, dass die Anzahl der möglichen Spenderinnen und Spender weit über der Zahl an tatsächlichen Transplantationen liegt. Das verweist auf strukturelle Probleme im deutschen Krankenhauswesen. Der Gesetzgeber sollte  zuerst an dieser Stelle arbeiten. Dann lässt sich über das Für und Wider der doppelten Widerspruchslösung besser diskutieren.