Dietmar Bartsch: Beim Bamf aufklären, nicht gesellschaftliches Klima vergiften

07.06.2018 – Die Debatte um einen Bamf-Untersuchungsausschuss ist vortrefflich geeignet, unheimlich viel Sand in die Augen der Menschen zu streuen und gesellschaftliches Klima zu vergiften. Die Anträge von FDP und AfD zeigen keinen aufrichtigem Aufklärungswillen, sie instrumentalisieren. Die FDP setzt nur auf populistische Akzente und macht die Tür zur AfD auf – das ist Verrat an liberalen Werten. DIE LINKE will rückhaltlose Aufklärung mit allen Mitteln, auch mit staatsanwaltlichen. Die Situation im Bamf ist nicht vom Himmel gefallen, dafür trägt auch Schwarz-Rot Verantwortung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte ist vortrefflich geeignet, unheimlich viel Sand in die Augen der Menschen zu streuen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Vor allem ist die Debatte auch vortrefflich geeignet, das gesellschaftliche Klima zu vergiften.

(Zuruf von der AfD: Na klar!)

Das ist das, was hier real passiert.

Ich will mal damit beginnen: Der Herr Lindner hat gesagt: Vernunft und Aufklärung. – Die Parlamentarier, die wissen das alle, aber für diejenigen, die zuschauen: Untersuchungsausschüsse, die regelt das Grundgesetz, Artikel 44. Da steht ganz klar: Der Antrag muss von einem Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages eingereicht werden. – Der Bundestag hat 709 Abgeordnete. Das heißt, 178 Abgeordnete werden dafür benötigt.

(Zuruf von der AfD: Gut gerechnet!)

Das heißt im Übrigen auch, dass mindestens drei Oppositionsfraktionen einen solchen Antrag einreichen müssen, und das sagt alles. Selbst AfD und FDP, das reicht nicht. Die FDP weiß, sie hat mit diesem Antrag keine Chance.

Sie können sich doch noch daran erinnern: Wir haben mit den Grünen gemeinsam in der Legislatur 2005/09 Untersuchungsausschüsse eingerichtet; selbst bei Organklagen war das gemeinsam. Wir werden in dieser Legislatur hoffentlich auch zu dritt Untersuchungsausschüsse einsetzen, wenn es notwendig ist. Aber die FDP macht hier etwas, mit dem sie letztlich nur populistische Akzente setzt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe FDP, der Antrag lässt keinen echten Willen einer Rechtsstaatspartei erkennen, keine liberale Tradition,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

wo es um gleiche Rechte für alle geht. Sie machen vor allen Dingen die Tür zur AfD auf, und ich bedauere das. Sie können das nicht wollen. Sie sehen doch, dass Sie ein Abgrenzungsproblem haben.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Höferlin [FDP]: Dann beteiligen Sie sich doch! Sie sind eingeladen, Herr Bartsch!)

Dass es beim BAMF gravierende Probleme gibt – Diese Strukturprobleme sind doch bekannt gewesen. Ich hoffe, jeder hier – das ist völlig klar – will rückhaltlose Aufklärung, mit allen Mitteln, auch mit den staatsanwaltschaftlichen.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Aber diese Anträge zeigen: Es gibt keinen aufrichtigen Aufklärungswillen. Sie instrumentalisieren. Die Rede von Frau Storch war ein sensationelles Beispiel für Instrumentalisierung.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Die war so klasse, die Zwischenfrage!)

Warum ist es denn so? Ihre beiden Anträge beziehen sich ausschließlich auf die 1 200 Bescheide, die zugunsten von Flüchtlingen ergangen sind. Was ist denn mit den 32 500 Bescheiden, die von Gerichten korrigiert worden sind?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kein Thema! Was ist mit den 4 500 Bescheiden, die das BAMF korrigiert hat?

Ich war in der Legislatur Berichterstatter für den Innenausschuss. Ich war schon dabei, als der Vorgänger von Herrn Weise abgelöst worden ist. Wir haben uns ständig über die Situation informieren lassen, und wir wussten, was für eine katastrophale Situation es war.

(Zurufe von der AfD)

Es gibt ein Führungsversagen. Ja, es gibt ein Führungsversagen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Na klar!)

Ich will, dass das Führungsversagen auch aufgeklärt wird.

(Nicola Beer [FDP]: Mach doch! – Stephan Thomae [FDP]: Sie sind eingeladen, das mit uns zu machen!)

Die Situation im BAMF ist nicht vom Himmel gefallen. Natürlich gibt es Verantwortliche, die die Kürzung organisiert haben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sind die Beschäftigten die Leidtragenden. Auch das kann nicht sein. Die stehen kurz vor dem Kollaps.

Meine Kollegin Ulla Jelpke zum Beispiel stellt seit 2013 Anfragen zu den Altfällen. In den Antworten konnte man sehen, wie die Entwicklung ist. Die Regierungskoalition hätte handeln können.

Ich habe im April 2015 hier an diesem Platz gesagt: Es gibt Experten, die davon sprechen, dass 500 000 Menschen in diesem Jahr kommen können. – Auf der Regierungsbank hieß es von Herrn de Maizière: Linke Panikmache! – Frau Merkel hat den Kopf geschüttelt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So war es!)

Ich habe gesagt: Jetzt müssen Sie investieren – 2 Milliarden war die Forderung –, auch ins BAMF. – Nichts haben Sie gemacht. Sie tragen als Regierungskoalition auch dafür Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!)

Dass Horst Seehofer jetzt Aufklärungswillen zeigt, das überrascht mich nicht so sehr. Das ist noch mal eine schöne Kelle gegen die Kanzlerin. Aber das soll nicht mein Problem sein.

Ich will Ihnen Folgendes sagen: Mich stört besonders, dass die FDP hier so mitmacht. Wenn Sie wirklich aufklären wollen, machen Sie es anders! Das ist Verrat an liberalen Werten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir bei einer solchen einseitigen und für das gesellschaftliche Klima nicht verantwortbaren Sicht nicht mitmachen, ist für uns selbstverständlich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)