Die Mehrheit entlasten, den Geldadel angemessen besteuern!

12.05.2022 – Dietmar Bartsch: 7,4 Prozent Inflation – der höchste Stand seit über 40 Jahren – kostet in etwa ein Monatsgehalt oder eine Monatsrente. Während Shell und Co. Kasse machen, schmilzt das Entlastungspäckchen der Bundesregierung durch das Ölembargo, dessen Auswirkungen insbesondere im Osten nicht „rumpelig“, wie Habeck sagt, sondern dramatisch werden. Entlasten Sie die Mehrheit der Bürger und besteuern Sie endlich den Geldadel angemessen!

Entschuldigen Sie, Herr Präsident, dass ich erst den Wahlvorgang beenden wollte; tut mir leid. Nichtsdestotrotz: Danke schön!

Meine Damen und Herren, die Menschen in Deutschland leiden unter einer Rekordinflation. Im April wurde eine Teuerung von 7,4 Prozent gemessen; das ist der höchste Stand seit über 40 Jahren. 7,4 Prozent klingt zunächst abstrakt. Aber im Klartext heißt das, dass Bürgerinnen und Bürger real ein Monatsgehalt oder eine Monatsrente verlieren. Stellen Sie sich vor, der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin streicht einfach ein Monatsgehalt oder die Rentenversicherung eine Monatsrente. Eine inakzeptable Entwicklung! Und jetzt, quasi obendrauf, planen Sie und die EU ein Ölembargo. Damit würden die Lasten vor allem auf die Schwächsten und in besonderer Weise auf Ostdeutschland umgewälzt. Sie haben doch in den vergangenen Wochen als Regierung immer den Grundsatz hochgehalten, dass Sanktionen der russischen Führung mehr schaden sollen als uns. Meinen Sie wirklich, das gilt für dieses Embargo?

Meine Damen und Herren, insbesondere in Ostdeutschland werden die Konsequenzen dramatisch sein. Minister Habeck meint, es könne „rumpelig“ werden im Osten. Ich finde, das ist eine unangemessene Verniedlichung eines gewaltigen Problems.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Alle – Gewerkschaften, IHK und, und, und – sagen klar, dass das nicht sein darf.

Wir begrüßen, dass der Minister, Herr Habeck, in dieser Woche in Schwedt war – andere waren auch da –; das war eine richtige Entscheidung. Aber es hätte so sein müssen: Erst einen Plan erstellen, dann mit den Betroffenen Gespräche führen und dann eine Entscheidung treffen. Wenn die Bundesregierung eine solche Entscheidung trifft, muss sie dafür sorgen, dass die 1 200 Arbeitsplätze in Schwedt langfristig gesichert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Raffinerie muss zu 100 Prozent mit Ersatzöl beliefert werden; der Erhalt des Standorts Schwedt muss für die Region garantiert werden. Das ist kein Kann, das ist ein Muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade in dieser Situation ist eine aktive Industriepolitik lebenswichtig.

Meine Damen und Herren, die Raffinerie in Schwedt zu retten, reicht aber nicht aus. Es braucht in der aktuellen Situation einen Schutzschirm für Ostdeutschland, damit die Strategie von Putin, den Westen zu spalten, nicht aufgeht. Auch angesichts des Ölembargos schmilzt Ihr Entlastungspaket in der Maisonne dahin. Wir fordern Sie auf: Überarbeiten Sie diese Pläne! Diese Entlastungspäckchen reichen nicht aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Und beenden Sie vor allen Dingen eine Unverschämtheit, nämlich dass Rentnerinnen und Rentner kein Geld erhalten sollen. Das ist Altersdiskriminierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Und erklären Sie mir auch, warum Studierende nichts erhalten sollen. Das ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir alle wissen: Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen, die wir uns im Moment vielleicht alle gar nicht vorstellen können: Krieg, Klimawandel, schreiende soziale Ungerechtigkeit, die Pandemie und, und, und. Aktuell stellen die Menschen fest: Alles wird teurer, das Leben wird teurer: Brot, Butter, Gemüse. Lebensmittel werden per Lkw in den Supermarkt transportiert, und wenn Sie nichts gegen die explodierenden Spritpreise tun, darf man sich nicht wundern, dass die Lebensmittelpreise steigen.

Herr Habeck wollte doch die Mineralölkonzerne zur Verantwortung ziehen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Was ist eigentlich daraus geworden?

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nichts!)

In keinem anderen EU-Land ist der Dieselpreis seit Kriegsbeginn so stark gestiegen wie bei uns. Shell und Co machen sich zur Freude ihrer Aktionäre die Taschen voll. 200 Milliarden Euro Gewinn schätzt die Internationale Energieagentur für dieses Jahr. Beenden Sie diese Abzocke!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Übergewinnsteuer, wie sie im Übrigen in anderen europäischen Ländern, die sogar konservativ regiert sind, wie Griechenland oder Italien, bereits vorhanden ist. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Hartz-IV-Bezieher, Selbstständige haben Einschnitte historischen Ausmaßes zu verkraften. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger verliert von Tag zu Tag an Wohlstand.

Liebe Sozialdemokraten, liebe Grüne, was haben Sie noch im Wahlkampf versprochen? Oben nehmen, unten geben. Ich will aus dem SPD-Wahlprogramm zitieren:

„Wir wollen die Vermögensteuer wieder in Kraft setzen … Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten.“

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sehr richtig! Der Beifall ist berechtigt! Ich zitiere aus dem Grünen-Wahlprogramm:

„Die Einführung einer neuen Vermögensteuer … ist unser bevorzugtes Instrument.“

Auch sehr richtig! Und wie ist die Realität? Pustekuchen! Veto der FDP. Jetzt erleben wir das Gegenteil: Oben sprudeln die Gewinne, und unten und in der Mitte haben die Leute weniger im Portemonnaie als vor der Wahl. Das ist doch falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht in diesem Punkt um eine staatspolitische Verantwortung. Der soziale Frieden ist wichtiger als die FDP und die gute Laune in der Ampel. Entlasten Sie die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben Vorschläge gemacht. Besteuern Sie endlich den Geldadel, meine Damen und Herren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)