Nicht überzeugend!

In großer Regelmäßigkeit sagt die Bundeskanzlerin, Deutschland komme vergleichsweise gut durch die Krise. Nehmen wir die Supermärkte als Beispiel. Merkel im März: „Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, der macht einen der schwersten Jobs, die es zurzeit gibt. Danke, dass Sie da sind für ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten.“ Die beklatschten Verkäuferinnen und Verkäufer, die sich weiter täglich einem erheblichen Infektionsrisiko aussetzen müssen, haben jedoch weniger im Portemonnaie als vor einem Jahr. Gleichzeitig sind nach Hamsterkäufen und Rekordumsätzen einige frische Milliarden auf die Konten der Eigentümer von Lidl, Aldi und Co. geflossen. Der Bundespräsident ruft auf, das Virus möge das Land nicht spalten. Es spaltet bereits, weil die Bundesregierung zu wenig gegensteuert. Je höher das Einkommen, desto besser kommen Menschen durch die Krise. Je niedriger das Einkommen, desto massiver die Einschnitte und Probleme, wie eine Studie der Böckler-Stiftung herausfand. Ein inakzeptabler Zustand.

Wir leben seit fast einem Jahr mit dem Virus. Der Umgang damit sollte professioneller und nachvollziehbarer werden. Das Gegenteil ist der Fall. Vor jedem Beschluss das gleiche Schauspiel. Markus Söder spielt den Schlauberger und erteilt Ratschläge. Geplante Maßnahmen werden über die Presse lanciert.  Dann gibt es eine Verständigung der Ministerpräsidenten, die Söder wieder aufmacht. Die Leute fassen sich an den Kopf. Der bayerische Ministerpräsident scheint genauso wenig Kontrolle über seine Worte wie über das Virus in Bayern zu haben. Schließlich entscheidet ein Gremium aus Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin. Ein Gremium, das dazu nicht legitimiert ist, dass das Grundgesetz nicht vorsieht. Der Bundestag darf danach noch ein bisschen debattieren. Dass die Bundeskanzlerin ihre Erklärung nach und nicht vor den Beschlüssen hält, ist eine Missachtung des Deutschen Bundestages! Dass das Parlament nicht über die Dezember- und Januarregeln entscheiden wird, ist demokratieschädigend, inakzeptabel und senkt die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung.

Nicht nur das Verfahren ist problematisch. An zentralen Stellen der Pandemiebekämpfung erleben wir die Bundesregierung weitgehend überfordert. Dafür schiebt sie nahezu alles auf die Bürgerinnen und Bürger, ins Private. Frau Karliczek spricht über warme Pullover in Schulklassen – Wochen, nachdem alle Kinder die schon tragen. Wo sind denn die Luftfilter für Schulen? Neun Milliarden Euro gab es für die Lufthansa, aber nicht eine Milliarde Euro für ein Bundesprogramm  für Luftfilter. Wann ist Herr Scheuer das letzte Mal mit Bus oder Bahn gefahren?  In S-Bahnen und Regionalbahnen ist so gut wie nichts anders als vor der Pandemie. In Schulbussen ist weniger Platz als in einer Dose Ölsardinen.

Wann hilft Frau Grütters der Kultur? Wann fließt das Geld an Theater und in die Veranstaltungsbranche. Da herrscht „Alarmstufe Rot“! Ohne Kultur wird es still und düster in unserem Land! Wie lange hat das Ministerium von Herrn Altmaier gebraucht, um eine Homepage zu programmieren? Offenbar länger als andere, um einen Impfstoff zu entwickeln. Ende Oktober wurde den Restaurantbetreibern gesagt: Ausdrücklich befristete Schließung bis Ende November und Hilfen sofort. Beides stimmt nicht. Eine Öffnung ist selbst für den Januar nicht geplant. Wer schließt, muss helfen. Und das sofort.

Das Ministerium von Herrn Seehofer habe ich gefragt, wie viele Menschen aus Risikogebieten nach Deutschland eingereist sind und getestet wurden. Antwort: Wir haben keinerlei Kenntnis. Wie will man eigentlich eine Pandemie bekämpfen, ohne zu wissen, wie viele Menschen aus Risikogebieten ungetestet einreisen? Wann kommen flächendeckend Schnelltests in den Pflegeheimen, Herr Spahn ? Jetzt sollen sichere FFP-2-Masken an Risikogruppen verteilt werden. In Bremen passiert das schon. Das ist eine richtige Maßnahme. Aber warum wurden diese Masken nicht vor der zweiten Welle verteilt? Warum erhalten Pflegerinnen und Pfleger nicht deutlich mehr Geld, damit auch frühere Aussteiger zurückkommen? Und was ist mit der App? Die ist weiter zu ineffektiv.

Ob in Schulen, Zügen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern: Die Bundesregierung hat acht Monate zu wenig getan. Jedes Theater hat sich besser auf den Corona-Winter vorbereitet als die Bundesregierung. Ich forderte die Bundesregierung in meiner gestrigen Bundestagsrede auf: „Appellieren Sie nicht nur an die Bürgerinnen und Bürger, sondern machen Sie endlich Ihre Arbeit besser!“
Die Menschen in unserem Land handeln vielfach verantwortungsbewusst und solidarisch. Das ist gut. Corona können wir nur gemeinsam besiegen.