Viel Kanzlerkandidatenduell und eine Hängepartie

Mich hat in den vergangenen Tagen geärgert, dass vor allem der bayrische und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die Corona-Krise als Profilierungsbühne für die Kanzlerkandidatenkür der Union genutzt haben. Diese Spielchen, die dem Ernst der Lage nicht gerecht werden, müssen aufhören. Auf der anderen Seite muss es die Bundesregierung künftig unterlassen, Ziele auszugeben, die dann kaum noch eine Rolle spielen. Es war ein Fehler, die Bevölkerung auf einen Verdopplungszeitraum der Neuinfektionen von 10 bis 14 Tagen einzuschwören. Dieses Ziel ist inzwischen haushoch erfüllt, was jetzt die Akzeptanz fortgesetzter Maßnahmen untergraben könnte.

Zweifelsohne ist vieles vernünftig, was aktuell beschlossen wurde. Vieles ist aber auch politisch schwer zu beurteilen. Was ich ausdrücklich kritisiere, ist die Hängepartie bei Kitas und Schulen. Diese Fragen auf die Kultusministerkonferenz Ende April abzuwälzen, ist kein gutes Signal an die Familien. Die Corona-Maßnahmen treffen Familien mit Kindern besonders hart. Auf absehbare Zeit wird es keine reguläre Betreuung in Kitas und Schulen geben. Anders als etwa in Dänemark. Das ist insbesondere für Ärmere ein Problem. Die Bundesregierung lässt sie allein. Zur Rettung von Unternehmen und Jobs haben wir zurecht – mit unseren Stimmen – noch nie dagewesene Hilfspakete auf den Weg gebracht. Für Familien gibt es so gut wie nichts. Wir brauchen einen Familienschutzschirm, der den Menschen in dieser schwierigen Zeit zeigt: Der Staat steht ihnen zur Seite.

Mit der Fortsetzung der Corona-Maßnahmen muss die Bundesregierung aber auch wirtschaftspolitisch und sozial mindestens „ergänzen“. Wir brauchen z.B. endlich ein auskömmliches Kurzarbeitergeld. Viele können nicht länger mit 40-Prozent-Einbußen über die Runden kommen. Wenn ich mir die Durchschnittslöhne in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern anschaue, kann man mit 60 % davon kaum leben. Bei der Höhe des Kurzarbeitergeldes ist Deutschland nahezu Schlusslicht in Europa. Auch für Soloselbständige und Freiberufler müssen die Hilfen angepasst werden. Die Bundesregierung darf sich bei den Hilfen andererseits nicht über den Tisch ziehen lassen. Die geplanten Milliardendividenden bei BMW und anderen zeigen: Wir brauchen ein gesetzliches Boni- und Dividendenverbot für Konzerne, die öffentliches Geld erhalten. Ich plädiere zudem dafür, dass das Beispiel Neuseeland in Politik und Gesellschaft Schule macht. Die Premierministerin dort verzichtet auf 20 Prozent ihrer Bezüge. Im Bundestag werden auf Druck der Linken die Diäten der Abgeordneten zumindest gedeckelt. Wir brauchen die Solidarität und den Verzicht aller, die es sich leisten können. Nur so bleibt das Land in den nächsten Monaten zusammen.

Passen Sie bitte gut auf sich und Ihre Mitmenschen auf!