Sigmar Gabriel ist Lehrer

Sollte es sich bestätigen, dass Sigmar Gabriel Chef-Lobbyist beim Verband der deutschen Automobilindustrie wird, wäre das ein schwerer Schaden für die Politik insgesamt. Der frühere SPD-Chef war bis 2017 Wirtschaftsminister und bis 2018 Außenminister. In beiden Ämtern hatte er mit der Automobilindustrie sehr eng zu tun. Falls er sich seine politische Tätigkeit jetzt von ihr mit einem Tob-Job vergolden lässt, hat das nicht nur einen üblen Beigeschmack, sondern es riecht nach einer Form von nachgelagerter Bestechung, die hierzulande leider legal ist. Die Automobilindustrie zahlt ihrem Cheflobbyisten mehr als das Doppelte eines Kanzlergehalts. Das ist pervers.

Schröder, Fischer, Clement, von Klaeden, Pofalla – die Liste wird immer länger mit Politikern, die ihre früheren Staatsämter als Sprungbretter einsetzen. Jeder weitere Name untergräbt das Vertrauen in die Demokratie. Gerade in Zeiten eines extremen Ansehensverlustes der demokratischen Politik, von dem sich auch der Rechtsruck nährt, brauchen wir mehr Anstand und Sensibilität der Politiker der ersten Reihe. Die gesetzliche Karenzzeit für einen Seitenwechsel von 18 Monaten ist zu kurz, um die Drehtür zu blockieren. Gabriel gehört ins politische Abklingbecken und nicht auf den Stuhl eines Lobbyisten-Postens. Er hat die Politik des endenden Jahrzehnts so geprägt wie sonst wohl nur die Bundeskanzlerin. Von absoluten Spitzenpolitikern mit hoher Bekanntheit und Vorbildwirkung erwarte ich eine besondere Zurückhaltung. Jobs, mit deren wirtschaftlichen Interessen sie zuvor im Amt politisch befasst waren, sollte niemand nach ihrer Karriere annehmen. Es gibt genügend berufliche Alternativen für Ex-Minister. Sigmar Gabriel ist Lehrer. Was für ein ehrenwerter Beruf.