Zum Internationalen Tag der Kinderrechte

„Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, …!“ Gehört haben wir diesen Satz sicher alle schon und ich gehe davon aus, dass er auch immer noch so oder so ähnlich im Jahr 2018 in einigen Familien gesagt wird. Ich habe meine Kinder vor derlei Unsinn bewahrt und finde gut, dass sie diesen Satz auch ihren Kindern ersparen. Und ganz klar: weder meine Kinder noch deren Kinder tanzten/tanzen mir oder ihnen auf der Nase herum.
Doch welches Menschenbild steckt hinter diesem Satz? Ein sehr, sehr antiquiertes! „Ich Vater und hier oben. Du Kind und da unten.“ Selbst wenn man es nicht so platt ausdrücken will, bleibt die Erkenntnis, dass es hier nicht allein um Verantwortungsübernahme geht, die Eltern zweifelsohne für ihre Kinder wahrnehmen müssen. Es geht vielmehr um Macht. Einer hat Macht über den anderen und entscheidet, was gut für ihn oder sie ist. Eine Erziehungsmethode, die viele Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben wurde, Untertanen reproduziert hat und damit gesellschaftlich verfestigt wurde.

Doch die Zeit der Aufklärung begann nicht nur mit Kant (und stoppte noch viele Jahrzehnte bei den Kindern), sondern sie schritt weiter voran. Die Konsequenz daraus, dass nicht nur erwachsene Menschen Individuen sind, sondern auch Kinder und Jugendliche, ist folgerichtig und war lange überfällig. Erziehung soll heute schrittweise zur Mündigkeit führen, zu einem selbstständigen Leben in Freiheit und mit Respekt und Empathie gegenüber den Interessen anderer Menschen.

Der 20. November 1989 ist auf diesem Weg als Meilenstein anzusehen. An diesem Tag verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention: das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“. Mit Ausnahme der USA wurde dieses Übereinkommen von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert. Eine gute Entwicklung.
Der Titel des Übereinkommens sagt noch nicht viel über die tatsächliche Bedeutung. Diese ist grundsätzlich – sofern von den Staaten anerkannt und auch tatsächlich umgesetzt –, weitreichend und vor allem die erste völkerrechtliche Festschreibung von Kinderrechten mit weltweitem Geltungsbereich. Doch der Einschub „sofern…“ ist eben wesentlich. Deutschland gehört zu den Ländern, die regelmäßig bestätigt bekommen, dass es noch Umsetzungsbedarf bei der Kinderrechtskonvention gibt.

Wichtigster Grundsatz der Kinderrechtskonvention ist: Kinderrechte sind Menschenrechte. Dieser Satz führt leider bei der Debatte um die Einführung von Kinderrechten in das Grundgesetz oder in die Landesverfassungen immer mal wieder zu dem Argument, dass diese nicht gesondert aufgeführt werden müssen, sondern Kinder und Jugendliche insbesondere in Artikel 1 GG (Menschenwürde) und Artikel 6 GG (Schutz der Familie) „mit gemeint“ sind. Das aber ist der zentrale Punkt. Kinder und Jugendliche sollen nicht einfach nur „mit gemeint“ sein. Kinder und Jugendliche sind eigenständige Persönlichkeiten mit eigenständigen, einklagbaren Rechten. Dies sollte so auch aus unserem Grundgesetz, dem gesellschaftlichen Konsens und den Grundwerten unseres Landes klar hervorgehen. Deshalb fordert DIE LINKE bereits seit langem im Bund die Aufnahme von Kinderrechten und es ist gut, dass wir uns mit dieser Forderungen in einigen Landesparlamenten mit der dafür erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit durchgesetzt haben. Das sind nach dem 20. November 1989 weitere Meilensteine, die in Einfachgesetzen ihre Konkretisierung finden.

Kinderrechte im Grundgesetz sind die Grundlage für einen Anspruch auf Chancengleichheit, auf Mitbestimmung, auf Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Seit dem Jahr 2000 ist die „Gewaltfreie Erziehung“ im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Studien haben ergeben, dass tatsächlich erkennbar ist, dass diese Norm wirkt. Es gibt aber leider immer noch Eltern, die meinen, dass Gewalt – sei sie körperlicher oder psychischer Natur – ein Kind erziehen kann. Wie absurd und wie „konventionswidrig“! Aber die Gesellschaft ist sensibler geworden und schaut hin. Eltern sind sensibler und „rechtsbewusster“ geworden. Das ist gut so.

Schau ich mir den Eingangssatz meiner Kolumne an, finde ich das passende Pendant dazu in Artikel 12 der Kinderrechtskonvention: Danach soll ein Kind, wenn es dazu fähig ist, in den das Kind betreffenden Angelegenheiten nicht nur mit seiner Meinung gehört werden, sondern auch angemessen berücksichtigt werden. Ein Grundsatz, der inzwischen in mehreren Kita- und Schulgesetzen der Länder seine Umsetzung gefunden hat und vor allem vor Ort mit Leben erfüllt wird. In dem Wissen, dass das die Erwachsenen von Morgen sein werden, erfüllt es mich mit positiver Hoffnung. Selbst das Kinderschutzgesetz des Bundes, das in seiner aktuellen Fassung erst am 01. Januar 2012 in Kraft getreten ist sowie vorbeugend und intervenierend zum Schutz von Kindern wirkt, hätte es ohne die Debatte um Kinderrechte so nicht gegeben.

Die Tatsache, dass sich das Mitte-Links-regierte Thüringen mit Ministerpräsident Bodo Ramelow klar dazu bekannt hat, den Weltkindertag zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen, zeigt, dass wir es ernst meinen. Ein gesetzlicher Feiertag führt nicht nur dazu, dass Menschen einen bezahlten freien Tag genießen können, sondern es führt dazu, dass Kinder und Jugendliche und ihre Rechte in einem besonderen Fokus stehen. Das ist ein weiteres Puzzleteil zum Umsetzung der „Rechte des Kindes“.

Schlussendlich führt auch die Debatte um die Einführung einer „Kindergrundsicherung“, die von immer mehr Menschen befürwortet wird und ein nachhaltiges Mittel gegen Kinderarmut sein kann, dazu, dass Kinder als eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten gesellschaftlich anerkannt werden. Gut so. Weiter so!
Es bleibt in Deutschland noch einiges zu tun und DIE LINKE wird nicht nur anlässlich des jährlichen „Internationalen Tages der Kinderrechtskonvention“ den Finger in die Wunde legen. Wir werden unsere Verantwortung auf allen politischen Ebenen nutzen, um weiter zur Umsetzung der „Rechte des Kindes“ beizutragen.