Weltkindertag: Kinder an die Macht!
Es sind die Termine, die ich am liebsten wahrnehme: Besuche in Kindertageseinrichtungen. Ich treffe auf Kinderlachen, Wände voller bunter Bilder, spannende Spielzeuge, die ich manchmal am liebsten gleich ausprobieren möchte und beeindruckende Ruhe ausstrahlende Erzieherinnen. Immer öfter sind männliche Erzieher anzutreffen. Ich kann ihnen ansehen, mit welcher Begeisterung sie ihren Beruf ausüben – eine gute Entwicklung. Erzieher – Ein Beruf, der so viel Schönes beinhaltet, so wichtig für Familien und unsere Gesellschaft ist. Kitas sind die ersten Bildungseinrichtungen für kleine Menschen. Ich beobachte sie und ich erfreue mich am Lachen der Kinder, an ihrer Neugier, ihrer Offenheit. Sie wollen wissen, wie ich heiße, ob ich Kinder habe, was ich mache, warum ich sie besuche… Es ist genau diese Offenheit und Neugier an anderen Menschen und am Leben, die Kinder so besonders macht. Ich bin froh, dass die Kinder, die ich treffe, so unbeschwert wirken.
Doch Tatsache ist auch: in Deutschland leben nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Kinderschutzbundes ca. 4,4 Millionen Kinder und Jugendliche, die nicht unbeschwert in ihre Zukunft blicken können. Sie leben in Armut oder sind von Armut bedroht. Sie leben mit Scham und in Existenzpanik, die damit einher gehen. Die Kinder merken, dass gewisse Dinge für ihre Eltern finanziell nicht drin sind. Und dennoch versuchen sie, sich ihre Enttäuschung gegenüber ihren Eltern nicht anmerken zu lassen. Oh Mann!
Nicht nur aus finanziellen Gründen können diese Kinder häufig nicht teilhaben. Der Bildungsdirektor der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat in dieser Woche anlässlich ihrer aktuellen Studie treffend zusammengefasst: „Kinder aus ungünstigen sozialen Schichten, die es am dringendsten brauchen, bekommen in Deutschland am wenigsten frühkindliche Bildung. Diese soziale Schere ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen.“ Es ist noch problematischer. Unlängst saß ich mit Vertretern des Robert-Koch-Institutes zusammen, die anhand von Langzeitstudien klar belegen konnten, dass Menschen, die in Armut aufwachsen, zehn Jahre früher sterben. Alarmierende Zahlen, die wütend machen!
Im politischen Raum nehme ich wahr, dass Kinder und Jugendliche regelmäßig als die Zukunft unserer Gesellschaft bezeichnet werden. Das sind sie zweifelsohne! Wir feiern sie anlässlich des Internationalen und des Weltkindertages. Gut und richtig so! Kinder und Jugendliche werden zudem im politischen Geschäft nicht selten als Kronzeugen herangezogen, wenn insbesondere bei sozialpolitischen Maßnahmen gekürzt wird. Ihre Zukunft soll nicht mit Schulden belastet werden, so sagt man. Eine widersinnige Logik!
Tatsache ist: Staatsschulden belasten kommende Generationen vor allem dann, wenn es immer weniger gut ausgebildete junge Menschen gibt, die sie zurückzahlen können. Wenn wir immer weniger das Land der „Dichter und Denker“ sind, das den Fortschritt unserer Gesellschaft voranbringt und die sozialen Nachteile ausgleicht.
Tatsache ist auch: Die Lobby für Kinder und Jugendlichen ist bei Weitem nicht so stark wie die der Wirtschaft, der Auto-, Pharma- oder Rüstungsindustrie. Zeitungen verkaufen sich nicht besser, wenn über Kinderarmut berichtet wird.
Doch gerade anlässlich des Weltkindertages ist es wichtig, klar zu benennen, was passiert, wenn wir nicht endlich beginnen, Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen! Es sind inzwischen sehr viele Menschen gesellschaftlich in diesem Sinne engagiert, dass es Mut macht. Doch es muss endlich in den Köpfen der Mehrheit des Bundestages und der Bundesregierung ankommen. Sei es die Einführung der Kindergrundsicherung. Auch über andere Ideen wie z.B. das kürzlich von der Bertelsmann-Stiftung vorgestellte Teilhabegeld muss gesprochen werden. Wie auch die Idee, als nationales Gesundheitsziel die „Chancengleichheit“ einzuführen. Es muss geredet UND vor allem dringend entschieden und umgesetzt werden, um nicht weiteren Generationen frühzeitig Chancen zu nehmen und Türen in die Zukunft zu schließen. Weiterhin zu wenig zu tun, wäre unverantwortlich!
Jedes Kind hat ein Recht auf eine unbeschwerte, glückliche Kindheit! Am Weltkindertag. An jedem Tag.