Die Kluft zwischen Arm und Reich ist asozial

Die weltweite Ungerechtigkeit und ihre Folgen sind nicht gottgewollt, sondern Ergebnis falscher Politik. Diese Regierung kennt keine moralische Obergrenze dafür, Milliardenvermögen in den Händen weniger zu bilden, während Geld für den Sozialstaat, für mehr Polizisten, für mehr und besser bezahlte Lehrkräfte, für armutsfeste Löhne und Renten fehlt. Das Wirtschaftssystem und die Machtverhältnisse müssen geändert werden!

Rede in der 151. Sitzung des Deutschen Bundestages im Rahmen der von der Linksfraktion beantragten „Aktuellen Stunde zu aktuellen Armuts- und Reichtumsstudien“.
 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten in der letzten Woche diverse Berichte zu einem Thema, das uns alle leider offensichtlich nicht ganz so interessieren sollte: Armut und Vermögensungleichheit in unserem Land. Ich will insbesondere auf die Oxfam-Studie eingehen, die einige Zahlen hervorgebracht hat, die uns mehr als nachdenklich stimmen sollten.

Sie haben alle zur Kenntnis genommen, dass 62 Menschen ‑ 53 Männer und 9 Frauen ‑ zusammen genauso viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen auf dieser Welt. Vor einem Jahr waren es sogar noch 80 Menschen; es sind also noch weniger geworden. Die Vermögen dieser 62 sind in den letzten fünf Jahren noch einmal um 44 Prozent auf 1,76 Billionen Dollar gestiegen, das sind sechs Bundeshaushalte. Das, meine Damen und Herren, ist asozialer Reichtum,

(Beifall bei der LINKEN)

zumal das Vermögen der 3,6 Milliarden Menschen, die genauso viel besitzen, im selben Zeitraum um 41 Prozent zurückgegangen ist. Das ist ungerecht, und das ist unmenschlich. Das hat im Übrigen mit dem Thema, das wir hier nahezu täglich besprechen, nämlich dem der Flüchtlinge, sehr viel zu tun. Diese Zahlen sollten uns alle, und zwar fraktionsübergreifend, aufrütteln. Es ist Aufgabe der Politik, das zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese weltweite Ungerechtigkeit und ihre Folgen sind nicht gottgewollt, sondern Ergebnis falscher Politik, meine Damen und Herren. Das hat mit dem Wirtschaftssystem zu tun, und das hat mit den Machtverhältnissen zu tun, und die müssen geändert werden. Jedenfalls ist das die Position der Linken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind uns mit Sicherheit einig, dass wir nicht zulassen dürfen, dass auf dieser Welt Kinder verhungern. Wir müssen das gemeinsam verhindern. Deshalb ist es die Aufgabe, hier einzuschreiten.

Die größte Vermögensungleichheit innerhalb der Euro-Zone besteht, wie der Bericht feststellt, bei uns, in Deutschland: Die 10 reichsten Prozent der Haushalte besitzen 63 Prozent des Gesamtvermögens, und der größte Anteil ‑ das ist der eigentliche Skandal ‑ entsteht durch Erbschaften und Schenkungen; auch das ist im Bericht nachzulesen. Wenn die 500 reichsten Familien in Deutschland ein Vermögen von 615 Milliarden Euro besitzen, dann ist im Lande etwas nicht in Ordnung, und dann sind wir gefordert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mit dem Reichtum in Deutschland muss mehr getan werden, um auch die Probleme in der Welt zu lösen. Wenn wir endlich 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungspolitik ausgeben würden, was seit Jahren von unterschiedlichen Bundesregierungen postuliert wird, wären wir wirklich einen Schritt weiter.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Hunger und Durst ‑ egal was deren Ursachen sind ‑ sind immer grausam und unmenschlich, da sind wir uns einig. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind eben auch Botschafter des Elends auf dieser Welt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir dafür mitverantwortlich sind ‑ deutsche Politik ist mitverantwortlich dafür ‑, dass jährlich weltweit über 1 500 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben werden, dass Rüstungskonzerne blutige Profite machen ‑ und es ist nichts anderes ‑ und auf der anderen Seite dem UNHCR die Mittel fehlen, um die Lager auszustatten, dann ist etwas völlig nicht in Ordnung, dann muss gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb muss Schluss sein mit dem Diskussionstabu der Regierungsparteien, wenn es um eine gerechte Steuerpolitik in unserem Land, in Europa und in der Welt geht. Warum ist es denn so unmöglich, eine europaweite Millionärssteuer einzuführen, durch die diejenigen, die von all den Krisen profitiert haben, zur Kasse gebeten werden?

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss doch bei hohen Freibeträgen möglich sein, hier etwas abzuholen, um die Armut in der Gesellschaft zu überwinden.

Genauso ist es im Übrigen auch mit der Erbschaftsteuer. Wir brauchen eine andere Reform und nicht das Pillepalle, das Sie hier vorschlagen. In den nächsten Jahren werden über 3 Billionen Euro vererbt. Hier muss mehr abgeholt werden, damit die Probleme, die in dem Bericht von Oxfam ausgewiesen sind, wirklich angegangen werden.

Nicht zuletzt wurde auch zu den Steueroasen umfangreich etwas gesagt. Es ist festgehalten, dass reiche Einzelpersonen rund 7,6 Billionen Euro in Steueroasen angelegt haben. In den Heimatländern gehen damit über 190 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren, die für Bildung, Krankenversorgung und Investitionen fehlen. Das ist doch inakzeptabel.

Die Koalitionspartner fetzen sich über die Flüchtlingszahlen. Wir sagen: Es gibt in dieser Regierung leider keine moralische Obergrenze, sodass die Milliardenvermögen immer mehr steigen können, und das darf man nicht zulassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist genug Geld da, um weltweit Hunger, Durst und medizinische Unterversorgung zu überwinden. Das geht aber nicht, wenn man keine entschlossene Umverteilung anstrebt. Keiner der Multimilliardäre auf dieser Welt – auch keiner in Deutschland – würde dadurch verarmen, und das ist eben keine Neiddebatte.

Es bleibt dabei: Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge, und wir in diesem Haus haben hier zu handeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))