Dem Verbraucherschutz Vorrang geben – sofort!

Leidtragende des erneuten Lebensmitteskandals sind die Verbraucherinnen, Verbraucher und die Landwirte. Das Krisenmanagement der Bundesministerin muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Verbraucherschutzinteressen brauchen Vorrang von dem Schutz vermeintlicher „Betriebsgeheimnisse“, sonst bleibt alles beim Alten: Nach der Krise ist vor der Krise.

Rede im Bundestag nach der Regierungserklärung der Bundesministerin Ilse Aigner zum Dioxinskandal

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Aigner, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung sehr viele, sehr wohlfeile Worte gefunden. Klarheit und Wahrheit, wer kann dem schon widersprechen? Da sind wir alle sehr dafür. Sie haben das Tempo gelobt. Sie sagen, Sie wollen die Maßnahmen schnell umsetzen.

Die Realität ist aber eine andere. Sie mussten sogar zu dieser Regierungserklärung getragen werden. Erst aufgrund der Aktuellen Stunde haben Sie sich dazu entschlossen. Das ist schlicht die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Peter Bleser (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch glatt gelogen!)

Sie müssen zum Jagen getragen werden. Sie haben zunächst zögerlich agiert und sind dann in Aktionismus verfallen. Dann sagen Sie so schöne Sätze wie: Sicherheit vor Schnelligkeit. Das ist ganz großes Kino. Das sagen auch die Formel-1-Manager nach einem Unfall. Dann wird aber sofort weitergerast. Das ist die Praxis.

Wer ist denn schuld am Dioxinskandal? Da gibt es die Firmen, die sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben; da gibt es die Kontrollbehörden der einzelnen Länder, die die Schuld jeweils in den anderen Ländern suchen. Am Ende kommt heraus: Es gibt schwarze Schafe. Das haben Sie hier auch so dargestellt. Es gibt skrupellose Täter. Das stimmt, aber das ist nicht die Ursache. Die Realität sieht anders aus.

Fest steht allerdings eins: Leidtragende sind die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Landwirte in diesem Land. Auch Ihr Agieren hat das Vertrauen in saubere Lebensmittel erschüttert.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Highlight allerdings war Niedersachsen. Hier fordert die Bundesministerin personelle Konsequenzen. Diese hat es aber nicht gegeben. Es stellt sich die Frage: War die Forderung falsch, oder sind Herr McAllister und seine Regierung Futtermittelskandalvertuscher?

(Zuruf von der CDU: Das ist unsachlich!)

Das ist ja nur eine Frage. Frau Merkel musste sich einschalten, damit CDU-Ministerpräsident McAllister und Bundesministerin Aigner mit dem Schwarzer-Peter-Spiel aufhören. Das ist die Realität: Machtspiele und Schuldzuweisungen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wären froh, wenn die Regierung endlich damit anfinge, sie konsequent und wirksam vor kriminellen Futterpanschern zu schützen. Vielleicht ist sogar ein eigenes Verbraucherschutzministerium sinnvoll.

Wir müssen aber vor allem die eigentlichen Ursachen benennen. Diese liegen nicht allein in den kriminellen Handlungen. Gründe sind auch der unkontrollierte Weltagrarmarkt und der gnadenlose Preiskampf, der stattfindet. Lebensmittel werden zum Sicherheitsrisiko, wenn Niedriglöhne und global gehandelte Billigrohstoffe den Ton angeben. Allein durch mehr Kontrolle und höhere Strafen sind die grundlegenden Ursachen nicht zu bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun haben Sie den mit den Landesministerinnen und Landesministern erarbeiteten 14-Punkte-Plan hier vorgestellt. Dieser ist durchaus vernünftig.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Immerhin!)

Daran haben auch linke Minister aus den Ländern mitgearbeitet sowie Grüne und Sozialdemokraten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN

Dabei kommt manchmal etwas Gutes heraus. Das ist gar keine Frage, um Gottes Willen, wenn man auch über Details streiten kann.

Die Linke aber fordert, dass die Bundesregierung nicht nur die Symptome behandelt, sondern auch die Ursachen bekämpft. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sieht doch jetzt so aus, dass eines gilt: Nach dem Skandal ist vor dem Skandal. Schauen wir einmal zurück. Unter Seehofer gab es den Gammelfleischskandal, unter Frau Künast gab es BSE,
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorher! – Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Künast ist erst Ministerin geworden durch BSE!)

unter Frau Aigner gibt es den Dioxinskandal. Alle Ministerinnen und Minister haben bessere Kontrollen versprochen, wie auch Sie heute. Aber alle sind vor der Nahrungsmittelindustrie eingeknickt. Das ist die Realität.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

Die Skandale werden doch durch die Bank zufällig entdeckt.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sage ich: Legen Sie zügig hier im Hause Gesetze vor! Es waren die Länder, die gestern bei den Beratungen durchgesetzt haben, dass schon 2011 etwas geschieht. Sie hingegen wollten erst 2012 Gesetze vorlegen.

(Peter Bleser (CDU/CSU): Stimmt doch gar nicht!)

Der Druck der Landesminister unterschiedlicher Parteien hat dafür gesorgt, dass Sie in diesem Jahr mit der Arbeit anfangen. Das ist die Realität. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben kein Verständnis für das Hin und Her zwischen Bund und Ländern. Man kann ihnen ein solches Hin und Her auch nicht zumuten. Sie müssen von der Ankündigungsministerin zu einer Handlungsministerin werden. Das wäre notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit könnten das Krisenmanagement vom Kopf auf die Füße und die Verbraucherschutzinteressen wirklich auf Platz eins gestellt werden. Das wäre nötig. Ich hoffe, dass wir in diesem Hause darin einig sind.
Danke schön.