Marshall-Plan für unser Bildungssystem

Für Kinder herrscht seit über einem Jahr Ausnahmezustand. Kitas und Schulen waren mal auf, mal zu – und für die allermeisten mehr zu als auf. Soziale Kontakte, die für das Lernen viel zentraler sind als das Abarbeiten von Arbeitsbögen am Schreib- oder Esstisch, sind schwer beschädigt. Sport- und Musikstunden, die als Ausgleich und für die Entwicklung so wichtig sind, haben kaum stattgefunden. Gerade die Kinder, die die besondere Aufmerksamkeit qualifizierter Lehrerinnen und Lehrer so dringend benötigen, verloren in den letzten Monaten den Anschluss. Das letzte Jahr sagt einiges über das Verhältnis unseres Landes zu seinen Kindern aus. Das ist dramatisch und wird für Jahrzehnte nachwirken.

Unsere Kinder hat die Bundesregierung in den letzten 14 Monaten sträflich vernachlässigt. Bei der Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern, mit digitalen Geräten. Der Kinderbonus, der im letzten Jahr geflossen ist, war viel zu niedrig, um die Verluste aufzufangen. Familien, die zu wenig haben, konnten damit weder iPad noch Laptop bezahlen. Jetzt bringt die Bundesregierung das „Aufholpaket“ auf den Weg. Zwei Milliarden hat die Bundesregierung beschlossen, um Lernrückstände aufzuholen. Ich begrüße das ausdrücklich. Aber es bleibt zu wenig: Zwei Milliarden Euro sind 150 pro Kind mit Bedarf. Deutschland fördert die Anschaffung eines Elektroautos mit mehreren Tausend Euro. Aber in diejenigen, die in zehn oder zwanzig Jahren als Ingenieure arbeiten sollen, fließt nur ein Bruchteil davon.

Deutschland muss zur Bildungsrepublik werden. Dieses Versprechen konnte die Kanzlerin nie einlösen. Eine Bildungsrepublik mit Chancen für alle. Gleich, wo die Eltern geboren sind, wie dick das Bankkonto ist oder wie der Stadtteil heißt, in dem die Schule liegt. Davon sind wir nach einem Jahr Corona weiter entfernt, als zuvor. Statt eines ambitionslosen Aufholpakets brauchen wir einen Marshall-Plan für Kinder und Bildung. Massive Investitionen in die Verbesserung des Zustands der Schulen, für Quantität und Qualität der Lehrkräfte, in die Digitalisierung und in die Infrastruktur für die Freizeit am Nachmittag. Im Rückblick muss die Corona-Krise der Startpunkt für eine Politik sein, die Kindern in diesem Land endlich bietet, was machbar ist. Unser Ziel muss es sein, das beste und gerechteste Bildungssystem der Welt in Deutschland zu schaffen.