Die Bürger brauchen ein Versprechen in der Krise!

Im Jahre 2008 haben Angela Merkel und Peer Steinbrück Banken, Sparern und Anleger versprochen, dass die Einlagen garantiert sicher sind. Das hat die Lage damals beruhigt. Heute brauchen wir Ähnliches: Bundeskanzlerin und Finanzminister sollten jetzt ein Versprechen abgeben: Der Staat garantiert, dass seine Leistungen sicher sind und es keine Kürzungen aufgrund der Krise geben wird.

Dass die Bundeskanzlerin Steuererhöhungen für die Mitte nicht ausschließt, aber einen Lastenausgleich in Form einer Abgabe für Vermögende bisher ablehnt, zeigt, dass das dicke Ende der Krise noch sehr unfair werden könnte. Die Rechnung könnte erneut vor allem dem Normalbürger präsentiert werden, während das reichste Drittel wieder einmal geschont werden würde.

Diese Krise fordert die Leistungsfähigkeit des Staates in beispielloser Weise heraus. Sie frisst sich mit rasender Geschwindigkeit in den Arbeitsmarkt. Über zehn Millionen Menschen stecken in der Kurzarbeit. Nicht wenige werden ihren Job verlieren, schon jetzt steigt die Arbeitslosigkeit. Die Steuereinnahmen von Bund, Länder und Gemeinden brechen weg. Laut Steuerschätzung stehen 81 Milliarden Euro weniger in diesem Jahr zur Verfügung. Wir befinden uns in der schwersten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte. Der ökonomische Abschwung ist noch nicht bezifferbar, aber schon heute steht fest: Die Krise wird historisch teuer. Die möglichen Kosten für die Rettung der Wirtschaft und Arbeitsplätze werden mit 1,2 Billionen Euro veranschlagt.

An dem schäbigen Hickhack um die Grundrente sehen wir, dass heftige Verteilungsdebatten und harte Verteilungskämpfe beginnen werden. Angekündigte und bestehende Leistungen des Staates oder Sozialsysteme stehen zunehmend unter Druck. Das verunsichert viele Menschen. Reicht in Zukunft noch das Geld für Bildung, Gesundheit, Pflege, Rente und Klimaschutz? Die Schulden der Finanzkrise, die die Banken retteten, bezahlten die Bürger zumindest teilweise mit dem Verfall ihrer Infrastruktur. Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen! Die Corona-Rechnung sollte in erster Linie von Menschen bezahlt werden, denen es sehr gut geht, und nicht von denen, die in den Krankenhäusern, Altenheimen und Supermärkten die Kohlen aus dem Feuer holen. Wir brauchen einen Lastenausgleich und eine einmalige Vermögensabgabe, wie sie das Grundgesetz für solche Krisen ausdrücklich vorsieht.

Jetzt stellt sich jedoch zunächst eine andere Frage: Wie nehmen wir den Menschen die Angst vor dem sozialen Absturz? Natürlich kann der Staat nicht jeden Arbeitsplatz garantieren, aber er kann ein engmaschiges Netz sozialer Sicherheit spannen, das jeden auffängt. Für Unternehmen stehen Garantien in Höhe von 800 Milliarden Euro bereit, auf der anderen Seite werden Familien, insbesondere Alleinerziehende im Stich gelassen, die auf Kinderbetreuung angewiesen sind. Der auf sechs Wochen befristete Lohnersatz läuft in diesen Tagen für viele aus. Steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Frauen, und eine Zunahme von Kinderarmut werden die Folgen einer Politik sein, die Familien viel zu wenig unter die Arme greift.

Mehr denn je brauchen wir soziale Stabilität und ein Krisenversprechen der Bundesregierung: Leistungen des Staates und der Sozialsysteme werden aufgrund der Pandemie nicht eingeschränkt, die Lasten der Krise nicht Geringverdienern und der Mitte der Gesellschaft übergeholfen. Ansonsten drohen nicht nur soziale und wirtschaftliche Verwerfungen, sondern auch eine tiefgreifende politische Polarisierung. Wenn die Bürger nicht sicher sein können, dass das Fundament gesichert ist, werden sie die Corona-Beschränkungen und Abstandsregeln immer weiter in Zweifel ziehen. Ein glaubwürdiges Sicherheitsversprechen der Bundesregierung an die Bürger wäre nicht nur ein Beitrag für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch Mittel gegen die politische Spaltung des Landes und Prävention gegen eine zweite Infektionswelle.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in einem Gastbeitrag am 15. Mai auf n-tv.de