„Heraus zum 1. Mai.“ Dieses Motto der Gewerkschaften zum Tag der Arbeit wird in diesem Jahr leider entfallen. Niemand sollte deshalb allerdings glauben, der Tag der Arbeit sei obsolet und der Kampf um gute, sichere und ordentlich bezahlte Arbeit von der Geschichte überholt.

Die Corona-Pandemie wird den Kampf der Arbeitnehmer um ihre Rechte und gute Arbeit, mit Wucht neu entflammen lassen. Der 1. Mai, dieser Jahrzehnte alte, symbolträchtige Tag der Beschäftigten wird in den kommenden Monaten und Jahren jeden Tag die politische To-do-Liste der Gewerkschaften und einer linken Partei bestimmen müssen.

Corona hat die Wirtschaft mit einem Schlag ausgeknockt. In einen Tiefschlaf versetzt. Das Virus führt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – hierzulande, in Europa und global.  Die Verwerfungen der Finanzkrise stellt es in den Schatten. Diese Krise ist in der Tat beispiellos. Um es volkswirtschaftlich auszudrücken: Nie zuvor gab es eine Situation, bei der die Angebots- wie die Nachfrageseite weitgehend zum Erliegen gekommen ist.

Einige versuchen zu beruhigen: „Die Krise werde verschwinden, wie sie kam.“ Schlagartig. „Es wird sein wie davor.“ Das ist völlig abwegig. Wenn es optimal läuft, gelingt es die Infektionsketten dauerhaft zu verlangsamen. Ein Hochfahren der Wirtschaft in kleinen Schritten wäre möglich. Erst ein Impfstoff – und wenn (weltweit) alle damit versorgt sind – wird diese Krise enden lassen. Das wird dauern und ist für die Beschäftigten – insbesondere einer stark vom Export abhängigen Wirtschaft – eine Katastrophe.

Wir sehen die Vorboten: in der Leiharbeit, bei den Solo-Selbstständigen, vielen Freiberuflern. Sie geraten in kürzester Zeit in Bedrängnis. Kämpfen ums Überleben. Rechnerisch kostet die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg jeden Bundesbürger 3600 Euro. Vorerst. Dies bedeutet: Sie trifft diejenigen, die wenig verdienen und kaum Rücklagen haben, mit voller Wucht. Arbeitnehmer, besonders Alleinerziehende, die auf Kinderbetreuung angewiesen sind, wissen häufig weder ein noch aus. Hier braucht es ein Corona-Elterngeld. Aber die Krise macht auch vor den Facharbeitern keinen Halt. Ich fordere die Bundesregierung auf, das Kurzarbeitergeld sofort zu erhöhen und nicht erst nach einem Bezug von vier Monaten. Einkommenseinbußen von 40 Prozent sind für viele unerträglich. Im Niedriglohnsektor kann Kurzarbeit schnell in die Armutsspirale führen.

Die Pest – sie hatte eine nivellierende Wirkung. Corona verstärkt die Unterschiede. Wer Home-Office machen kann, ist in größerer „Sicherheit“. Wer „systemrelevant“ ist, in größerer Unsicherheit. Wer Vermögen hat, hält diese Krise länger durch. Mit oder ohne staatliche Unterstützung. Wirtschaftsminister Altmaier sagt jetzt: „Wir haben uns immer vorgenommen, dass wir solide Finanzpolitik nicht in Frage stellen. Das heißt, wir müssen von der Verschuldung auch wieder zurückkehren zu ausgeglichenen Haushalten.“ Was finanzpolitisch erst einmal passabel klingen mag, ist für die Beschäftigten eine Drohung. Wer bei einer Krise, die Jahre dauern kann, nach zwei Monaten schon den Geldhahn zudrehen will, hat die Notwendigkeiten nicht begriffen und droht die Krise zu verschärfen. Oder will sich Altmaier für eine Vermögensabgabe einsetzen? Vermutlich nicht, aber genau einen solchen Lastenausgleich – wie es ihn nach dem zweiten Weltkrieg gab – bräuchten wir. Das Grundgesetz sieht ihn für solche Krisen vor. Solidarität ist das Gebot der Stunde, vor allem derer, denen es sehr gut geht.

Der Kampf um gute, sichere und ordentlich bezahlte Arbeit wird in diesem Mai anders stattfinden als wir es gewohnt sind. Aber der Kampf um die Rechte und die Existenzen der Arbeitnehmer wird nach dem diesjährigen 1. Mai richtig Fahrt aufnehmen müssen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in einem Gastbeitrag auf t-online.de.