Die LINKE – Hoffnungsträgerin für den Wechsel

Der 5. Februar 2020 hat das politische Koordinatensystem nachhaltig verändert. Konservative und Liberale haben ihre bürgerliche Glaubwürdigkeit, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, verloren. Dammbruch ist Dammbruch. Das verändert die Ausgangslage für die kommende Bundestagswahl. Wer CDU und FDP wählt, kann sich nicht mehr sicher sein. Zudem ist die Union in ihrer schwersten Krise überhaupt.

Die Chancen für eine Mitte-Links-Regierung nach der nächsten Bundestagwahl stehen besser als viele meinen. Mitte-Links sollte erklärtes Ziel sein. Hamburg zeigt, dass Mitte-Links-Parteien deutliche Mehrheiten holen können. Dafür müssen SPD und LINKE auf Bundesebene ihre Hausaufgaben erledigen. Im vergangenen Jahr, in dem es für uns schwere Niederlagen, einige Erfolge und den Ausnahmeerfolg in Thüringen gab, war soziale Sicherheit ein Top-Thema bei allen Wahlen. Es gibt ein starkes Bedürfnis in der Gesellschaft nach sozialer Sicherheit und einen durchaus sozialen Zeitgeist, dessen Nerv wir wieder besser treffen müssen.

DIE LINKE sollte sich als die politische Kraft für soziale Sicherheit positionieren und den Anspruch haben, Partei für „ganz normale Leute“ zu sein. Ich habe bewusst eine Debatte über die Verteilung der Steuer- und Abgabenlast angestoßen. Wir haben hier ein ungerechtes System aus dem vorigen Jahrhundert. Von der Arbeitsleistung der Mehrheit in diesem Land sollte am Monatsende mehr im Portemonnaie bleiben. Es geht um einen Dreiklang, der bisher ein weißer Fleck in der Debattenlandschaft war, real aber sehr viele Menschen betrifft: Wir brauchen Lohn-, Steuer- und Abgabengerechtigkeit! Die Löhne sind vielfach zu niedrig, Steuern und Abgaben für die meisten zu hoch. Das gilt für Geringverdiener und die Mittelschicht. Krankenschwestern, Erzieherinnen, Bäcker, Polizisten und Facharbeiter brauchen höhere Löhne, aber auch Entlastungen bei Steuern und Abgaben. Es kann nicht sein, dass Gering- und Normalverdiener 81 Prozent des Sozialstaates finanzieren, obwohl sie deutlich weniger Einkommen als 81 Prozent haben. Bei Spitzenverdienern ist es umgekehrt. Laut DIW wurden seit 1998 die „unteren“ 70 Prozent der Bevölkerung bei Steuern und Abgaben belastet und die „oberen“ 30 Prozent entlastet. Wir brauchen endlich eine gerechte, also stärkere, Beteiligung an Steuern und Abgaben der Topverdiener und Superreichen.

Mehr Arbeitnehmerpartei zu sein, mehr Partei derjenigen zu sein, die sich Tag für Tag anstrengen und doch kaum über die Runden kommen, schließt zentral mit ein, das Hartz-IV-System zu überwinden. Hartz IV ist das Grundübel für alle Arbeitnehmer/innen, nicht nur für die Betroffenen selbst. Da jederzeit der Abstieg ins Bodenlose droht, frisst sich soziale Unsicherheit bis weit hinein in die Mittelschicht. Dazu kommt: Hartz IV ist der größte Hemmschuh für Lohngerechtigkeit.

Das zweite Grundübel ist die Rentenentwicklung. Spätestens im Alter droht sozialer Abstieg auch Menschen, die normal verdient und jahrzehntelang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Es ist ein Skandal, dass die durchschnittliche Nettorente bei unter 900 Euro liegt. Wenn es uns gelingt, wieder mehr Vertrauen bei Rentner/innen UND Jüngeren zu gewinnen, die Angst haben vor sozialer Unsicherheit im Alter, wäre das eine große Chance für DIE LINKE. Wir haben das beste Rentenkonzept, aber noch zu wenig Zustimmung.

Dazu kommt der wichtige Kampf gegen Kinderarmut und die Mietpreisexplosion in vielen Städten und Regionen. Berlin mit seiner Mitte-Links-Regierung hat Maßstäbe gesetzt. Wir brauchen einen Mietendeckel nicht nur in der Hauptstadt. DIE LINKE ist Mieterpartei, und wir wollen, dass die nächste Bundesregierung eine Mieterregierung wird. Und nur mit Mitte-Links besteht die reale Chance auf eine Kindergrundsicherung, die endlich Millionen Kinder aus der Armut holt.

Die ehemals Große Koalition schadet dem Land. Neuwahlen wären das Beste. Die SPD sollte vorzeitig aussteigen, um glaubwürdig zu zeigen, dass sie den Groko-Kurs verlässt. So oder so, jetzt geht es darum, an einer Mehrheit für Mitte-Links zu arbeiten. Da hilft kein Lagerwahlkampf, jede Partei sollte ihr jeweiliges Wählerpotenzial ausbauen und im Wahlkampf mobilisieren. Wir LINKE müssen ein starkes Gewicht auf der Waage des Politikwechsels sein. Wir können Hoffnungsträgerin für einen Politik- und Regierungswechsel werden.

(Der Text erschien bereits das erste Mal am 26. Februar im ND.)