Es ist fünf vor zwölf

Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen waren für meine Partei ein Desaster. Ein politisches „Weiter so“ darf es deshalb nicht geben. Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen in die Partei hören, die Erfahrungen aus den Wahlkämpfen einbeziehen. Dafür müssen unsere Landes- und Kommunalpolitiker bei uns Gehör finden, ihre Erfahrungen sollten wir aufgreifen. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl müssen wir Grundfragen der strategischen und inhaltlichen Ausrichtung diskutieren und teilweise neu beantworten. Nur so schaffen wir es gemeinsam zurück in die Erfolgsspur. Dass dies möglich ist, beweist nicht nur Bremen, wo wir jetzt erstmals in einem westdeutschen Bundesland mitregieren.

Es ist fünf vor zwölf für meine Partei. Wir haben einige Dinge zu klären. Ich plädiere dafür, unseren planmäßigen Parteitag zeitnah nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und den Kommunalwahlen in Bayern durchzuführen, um danach genügend Zeit zur Vorbereitung der Bundestagswahl zu haben. Zunächst aber müssen wir gründlich in die Analyse unserer Niederlagen gehen. Daraus sollten wir dann strategische und inhaltliche Konsequenzen ziehen. Auf dieser Grundlage kann der nächste Parteitag die notwendigen Entscheidungen treffen. Wir müssen und werden aber jetzt gemeinsam all unsere Energie dafür aufwenden, dass Bodo Ramelow Ministerpräsident bleibt. Das ist zentral für uns alle, vor allem aber für Thüringen.

Eines ist für mich klar: DIE LINKE muss die Partei für die ganz normalen Leute im Land sein. Denen müssen wir ein Angebot machen, das attraktiv ist. Dass uns dies weder bei der Europa- noch bei den Landtagswahlen am Sonntag gelungen ist, ist offensichtlich. Wir haben Vertrauen verspielt. DIE LINKE hat sich gegründet, um Politik für die Mehrheit der Menschen zu machen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner, die ländliche Bevölkerung, für eine glückliche Zukunft aller Kinder. Für die Normalos, die jeden Tag zur Arbeit pendeln. Die Rentner, die mit ihren knappen Renten auskommen müssen. Für diejenigen ohne Arbeit, die auf der Suche nach einer Perspektive sind. Für die vielen Mieterinnen und Mieter, die unter dem Mietenwucher leiden. Für diejenigen, die unzufrieden sind und von der herrschenden Politik im Stich gelassen werden. Ob wir das selbst so sehen oder nicht: Viele Wählerinnen und Wähler sind der Meinung, wir haben uns von ihnen politisch und kulturell entfernt. Aber genau für diese Menschen werden wir gebraucht. Eine solche Politik ist weder spießig noch bieder, sondern dringend notwendig.