Gesprächsmission statt Marinemission

Verträge haben Schwächen, denn sie sind das Ergebnis eines Kompromisses. Aber sie bieten Klarheit, Verlässlichlichkeit und einen Handlungsrahmen für die Vertragspartner. Deshalb war das Atom-Abkommen mit dem Iran von so entscheidender Bedeutung und ein Erfolg. In einer Region, in der ein Streichholz genügt, um einen Flächenbrand auszulösen, sind es Gespräche und Verhandlungen, die Fortschritt ermöglichen, nicht Drohungen und Gewalt. Davon hat der Nahe Osten bereits ohne einen Krieg gegen den Iran oder durch den Iran mehr als genug. Wir stehen deshalb vor einem Scherbenhaufen. Nein, der Iran darf keine Atomwaffen haben. Das ist völlig klar. Es gibt am reaktionären iranischen Mullah-Regime nichts zu beschönigen. Aber wir dürfen deshalb doch nicht in einen Krieg mit dem Iran hineingeraten. Diese Gefahr besteht mit der einseitigen Aufkündigung des Atomdeals durch die USA.

Annegret Kramp-Karrenbauer, mit großer Unglaubwürdigkeit ins Amt gekommen, steht bislang für zwei Forderungen: Die Aufrüstung der Bundeswehr durch die Erfüllung des irrwitzigen Zwei-Prozent-Ziels der NATO, und die Aussage, eine deutsche Beteiligung an einer Militärmission in der Straße von Hormus dürfe „nicht reflexhaft“ abgelehnt werden. Keine Überraschung. Nach 18 Jahren Einsatz in Afghanistan erwartet kaum jemand eine „reflexhafte“ Absage an Auslandseinsätze der Bundeswehr, die viel destabilisieren, aber wenig stabilisieren.

Dabei wären es gerade in diesem Fall die Reflexe, die nicht nur natürlich, sondern auch richtig sind. Aber die funktionieren offenbar auch bei Robert Habeck, dem Vorsitzenden der Grünen in der Frage nur bedingt, der sich eine „Beteiligung Deutschlands an einer europäischen Mission vorstellen“ kann. Aber es blieben deutsche Soldaten und ein wahnwitziges, ein falsches Abenteuer und eine Bestätigung für die Amok-Politik von Donald Trump durch die Hintertür, der eine Fortsetzung einer gescheiterten Regime-Change-Politik der USA in der Region unter dem Deckmantel des Atom-Abkommens versteckt. Boris Johnson schließt sich dem (wenig überraschend) an. Aber jedem muss klar sein: Europäische Kriegsschiffe, die auch iranische Hoheitsgewässer passieren, machen aus europäischen Vertragspartnern mit dem Iran Konfliktpartner an der Seite der USA. Eine solche Mission wäre eine faktische Kriegserklärung einer neuen „Koalition der Willigen“ gegen den Iran.

 Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: Es wird keine militärische Lösung dieses Konflikts geben. Der Iran ist militärisch nicht zu besiegen. Ich erinnere mich noch gut an den entsetzlichen Krieg zwischen Saddam Husseins Irak, nicht zuletzt hochgerüstet mit westlichen Waffen, und dem Iran. Acht Jahre. Alles was ein weiterer Krieg zustände brächte, wäre wie ein Funken im Sommerwald: der Auslöser für einen Flächenbrand. Dieser droht Israel, Syrien, den Libanon und den Irak erreichen. Mindestens. Da müssen alle Alarmglocken schrillen.

 Es gab einen Vertrag. Dieser Vertrag war keiner zwischen Barack Obama und dem Iran. Sondern zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China, Deutschland und dem Iran. Als Donald Trump den Vertrag gekündigt hat, hat er zunächst seine Vertragspartner brüskiert und führt sie seitdem mit seiner Forderung nach Militär in der Straße von Hormus durch die Manege. Internationale Politik, die Verhinderung der atomaren Aufrüstung kann nicht gelingen, wenn die einen willkürlich Verträge kündigen und die anderen dem tatenlos zusehen. Während Donald Trump dem Iran mit einem Wirtschaftskrieg begegnet und mit Vernichtung droht, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un hofiert und Saudi-Arabien mit amerikanischen Waffen hochrüstet, schauen die Bundesregierung und die Europäer wie Statisten zu. Weder Angela Merkel, noch der französische Präsident sind bislang durch ihren unbändigen diplomatischen Einsatz, das Atom-Abkommen zu retten, in Erscheinung getreten. Dabei wäre genau dies das Gebot der Stunde – eine UN-geführte Konferenz, vielleicht sogar initiiert durch die Bundesregierung. Leider scheint diese Idee wenig reflexhafte Zustimmung auszulösen.

 Die Diplomatie, die nötig war, um einen Vertrag auf die Beine zu stellen, die ist nun nötig, um ihn zu retten. Vielleicht wäre es hilfreich, auf den deutschen Reederverband zu hören. Der lehnt weitere Kriegsschiffe in der Region ab, weil er weiß, dass jedes weitere Kriegsschiff die Gefahr für einen Krieg und einen Flächenbrand erhöht.