Der Regierung auf die Finger schauen!

Neugierig zu sein, zählt zu den elementaren Befugnissen von Abgeordneten. Die Kontrolle der Bundesregierung ist neben der Gesetzgebung die wichtigste Aufgabe des Bundestages. In dessen Geschäftsordnung wird den Fraktionen das Recht eingeräumt, Kleine oder Große Anfragen schriftlich an die Regierung zu richten. Zudem steht es allen Abgeordneten zu, mündlich oder schriftlich Einzelfragen zu stellen. Die Möglichkeiten werden vor allem von den Oppositionsfraktionen genutzt. Mit Stand von Anfang Mai 2019 machte DIE LINKE davon in dieser Wahlperiode bislang insgesamt 4.023 Mal Gebrauch, bei Union und SPD waren es 214 bzw. 306 Mal. Wir stellten allein 1.126 Kleine Anfragen, womit unsere Fraktion die Spitzenposition innehält.

Nicht selten führten Anfragen unserer Fraktion zu bemerkenswerten Aussagen oder Eingeständnissen der Regierung. So musste das Arbeitsministerium auf eine Frage meiner Abgeordnetenkollegin Susanne Ferschl einräumen, dass der Mindestlohn nicht weniger als 12,63 Euro betragen müsste, um eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu erlangen. „Erhöht“ wurde er 2019 von 8,84 Euro auf 9,19 €. Gesine Lötzsch erfuhr, dass zwischen 2014 und 2017 von 23 neu eingerichteten Bundeseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ganze drei, sprich 13 Prozent, nach Ostdeutschland kamen. Bereits vor 26 Jahren beschloss das Parlament jedoch eine „annähernd ausgewogene Verteilung“ solcher Einrichtungen über alle Länder. Wie mein Genosse Matthias Höhn heraus bekam, hat die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren mindestens 716 Millionen Euro für externe Beratung ausgegeben. Demnach wurden seit dem 1. Januar 2014 insgesamt 3.804 Verträge mit Beraterinnen und Beratern abgeschlossen, also mehr als 700 pro Jahr. Dazu muss man wissen, dass das Kanzleramt und die 14 Bundesministerien mehr als 20.000 Beschäftigte haben. Ich glaube nicht, dass deren Sachverstand nicht ausreicht, denke vielmehr, dass hier eine ganz Armee von Lobbyisten ihre Hände im Spiel hat und sich die Taschen voll sackt.

Mit Anfragen an die Regierung und deren Antworten hat die Fraktion DIE LINKE häufig große öffentliche Aufmerksamkeit erreicht. So musste etwa das Arbeitsministerium der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann mitteilen, dass der jahrelange Wirtschaftsaufschwung bei vielen Vollzeitbeschäftigten kaum angekommen ist. Bei rund 21 Millionen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten erhielten laut den jüngsten verfügbaren Zahlen Ende 2017 3,38 Millionen, also 16 Prozent, ein Gehalt von weniger als 2000 Euro brutto im Monat – 13,5 Prozent in Westdeutschland, 27,5 % in Ostdeutschland. Das fand in den Medien breite Widerspiegelung, von „Tagesspiegel“ bis „neues deutschland“ von „Inforadio Berlin Brandenburg“ bis „Bayerischer Rundfunk“.

Hartz IV und Baukindergeld, Rüstungsexporte und Bundeswehreinsätze, Rente, Pflege und Gesundheitsleistungen… – mit ihren kritischen Nachfragen bespielt DIE LINKE die politische Klaviatur in ganzer Breite. Vierteljährlich erkundigen sich Abgeordnete von uns nach von Rechtsextremisten begangenen antisemitischen Straftaten, um die Öffentlichkeit frühzeitig über die Entwicklung dieser Kriminalität zu informieren und aktuelle Gefährdungspotentiale aufzuzeigen. Monatlich fragen wir überdies nach Erkenntnissen zum Agieren der extremen Rechten und stellen so eine regelmäßige Dokumentation sicher.

Ich selbst habe unlängst bei der Bundesregierung nachgefragt, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ostdeutscher Betriebe, an deren Umgestaltung die Treuhand beteiligt war, nach 1989 ihren Job verloren haben. Die Regierung bezifferte den Verlust auf mindestens 2,5 Millionen Jobs und sprach tatsächlich in diesem Zusammenhang von „Bausteinen einer guten Entwicklung“. In meinen Augen ist das ein Schlag ins Gesicht vieler Ostdeutscher. Ich habe mich auch zum Wirken der „Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH“ (BVVG), einer Nachfolgeeinrichtung der einstigen Treuhand, erkundigt. Aus der Regierungs-Antwort geht hervor, dass der Bund seit 2007 in den neuen Bundesländern mehr als 2.400 Quadratkilometer Ackerland verkauft hat. Das entspricht in etwa der Fläche des Saarlands. Bis 2030 will die BVVG alle ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen privatisieren. Ein großer Fehler, wie ich auch deshalb finde, weil damit der Bodenmarkt weiter angeheizt wird. „Spekulanten setzen auf Rendite durch steigende Bodenpreise. Viele Bauern können kaum noch mithalten“, haben unsere agrarpolitische Sprecherin, Kirsten Tackmann, und ich in einer gemeinsamen Erklärung angeprangert. Die genannten Entwicklungen sind auch Gründe dafür, dass DIE LINKE im Juni die Einsetzung eines Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Treuhandanstalt beantragen wird, schließlich leiden Wirtschaft und Landwirtschaft im Osten bis heute unter dem Treuhand-Kahlschlag und die Ostdeutschen haben ein Recht darauf, dass politisches Versagen der Nachwendezeit aufgearbeitet wird. So interessiert es mich beispielsweise schon, wie aus einem Treuhand-Vermögen von rund einer halben Billion DM ein Schuldenberg von 250 Milliarden DM werden konnte, und ich möchte unter anderem von Theo Waigel, Horst Köhler und Thilo Sarrazin wissen, ob und wie das Finanzministerium seiner Aufsichtspflicht über die Treuhand nachgekommen ist.

Wir LINKE im Bundestag, das verspreche ich, werden auch künftig neugierig sein. Bereits Galileo Galilei wusste: „Die Neugier steht immer an erster Stelle des Problems, das gelöst werden will.“ Oder, wie es meine Partei bereits vor Jahren formulierte: Veränderung beginnt mit Opposition!