Rechte statt Rosen

Jedes Jahr am 8. März ist Frauentag. Besser gesagt: Frauenkampftag. Denn so lange es noch Benachteiligungen von Frauen auf der Welt gibt, bleibt der 8. März ein Kampftag. Das ist Teil unseres Selbstverständnisses. Auch deshalb ist Clara Zetkin, die den 8. März als Frauentag nach Deutschland brachte, Namenspatronin des Fraktionssaals der Linken im Bundestag. Die unbestechliche Sächsin ist bis heute ein Vorbild. Sie kämpfte erfolgreich für das Frauenwahlrecht, unbeirrt gegen Krieg und Militarisierung und konsequent gegen kapitalistische Ausbeutung. All das gehört immer noch unmittelbar zusammen und gehört zu unserer Tradition.

Dieses Jahr ist der Frauenkampftag viel politischer als in vielen Jahren zuvor. Statt roter Rosen und Sonderangebote im Prospekt finden überall politische Aktionen und intensive Debatten über Gleichberechtigung und Genderfragen statt. Das hat unterschiedliche Gründe. Da ist die Tatsache, dass die Welt in den letzten Jahren aus den Fugen geraten ist. Trump und Brexit, Klimakatastrophen, obszöner Reichtum und schreiende Armut sind nur einige Beispiele für die turbulenten Zeiten, in denen wir uns befinden. In solch bewegten Zeiten re-politisiert sich die Gesellschaft. Das ist eine Chance für linke Anliegen – Epochenbrüche sind historisch immer ein Moment gewesen, in denen echte Veränderungen zum Guten erkämpft werden konnten. Frauen waren zum anderen immer Motor gesellschaftlicher Veränderungen. Viele junge Frauen haben sich in den letzten Jahren politisiert und fordern die Gleichheit, die ihnen immer versprochen wurde, radikal ein. Dieses Jahr gibt es das erste Mal seit 25 Jahren wieder einen Frauenstreik, der deutlich machen soll: Ohne Frauen und ihre Arbeit geht nichts.
Richtig so!

Auch zeigt die hitzige Debatte um die Abschaffung von § 219a im Strafgesetzbuch (dieser Paragraph verunmöglicht, dass Ärzte über mögliche Schwangerschaftsabbrüche informieren können) wie hoch politisch die Frauenfrage wieder geworden ist. Zum Glück! Denn es wird gerne vergessen, dass Abtreibung immer noch nicht legal in der Bundesrepublik Deutschland ist. Es ist zwar zuweilen straffrei einen Abbruch vorzunehmen, aber grundsätzlich ist das Verbot von Abbrüchen immer noch Teil des Strafgesetzbuches im § 218. Als jemand, der in der DDR aufgewachsen ist, eine weiterhin befremdliche Situation. Streng genommen ist es eine Unverschämtheit gegenüber all den Frauen, die in der DDR einer weniger repressiven Reproduktionspolitik ausgesetzt waren. Meine Kollegin Anke Domscheit-Berg fragte im Bundestag zu Recht, ob es für das westdeutsch geprägte Parlament überhaupt eine Rolle spielt, dass ostdeutsche Frauen 30 Jahre lang ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung hatten und mit der Wiedervereinigung dieses Recht verloren haben. (https://twitter.com/anked/status/1098675089481125888) Generell lässt sich sagen, dass die DDR in manchen Fragen der Gleichberechtigung ein fortschrittlicher war als die Bundesrepublik Deutschland. Scheidung war für Frauen in der DDR keine derart existenzielle Frage, wie das bis heute in der Bundesrepublik der Fall sein kann. Arbeit und Selbstbestimmung war ein wesentlicher Teil der DDR-Staatsräson. Das hat bis heute Auswirkungen: Der Gender Pay Gap ist im Osten wesentlich geringer als im Westen. Natürlich gab es in der DDR auch auf diesem Gebiet viele Probleme, war nicht alles so rosig, wie die Staatsführung das gerne darstellte. Oft mussten Frauen doppelte Arbeit leisten, es gab sexualisierte und häusliche Gewalt – aber die konkreten Gesetze und Regelungen gingen von einem emanzipierten Frauenbild aus. Jana Hensel und Wolfgang Engler schreiben in ihrem Buch „Wer wir sind. Die Erfahrung, ostdeutsch zu sein“ (Aufbau, 2018): „Wäre eine ostdeutsche Frau in den siebziger Jahren auf die Idee gekommen, ihren Ehemann als Bürgen bei der Eröffnung eines eigenen Bankkontos zu bemühen? Sicher nicht.“ Das beschreibt die unterschiedlichen Mentalitäten in Ost und West ganz gut. Es bleibt nicht akzeptabel, dass unter dem Deckmantel der Wiedervereinigung zentrale Errungenschaften ostdeutscher Frauenemanzipation von westdeutschen Herren wieder rückgängig gemacht wurden. Auch deswegen ist die Abschaffung von § 218 StGB weiterhin ein zentraler Teil linker Politik.

Politik kann und muss Gleichberechtigung herstellen, das ist ein grundgesetzlicher Anspruch. Sie kann etwas konkret verändern und die Rahmenbedingungen verbessern. Ohne engagierte Frauen wie Clara Zetkin damals, die für ihre Rechte unbeirrbar einstehen, geht nichts. Aber auch ohne Männer, die konsequent für Gleichberechtigung und gegen Ungerechtigkeit stehen, geht wenig. Deswegen gilt auch dieses Jahr: Rechte statt Rosen! Oder gern auch Rechte und Rosen!
P.S. In Berlin ist seit diesem Jahr der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag. Das hat der rot-rot-grüne Senat letztes Jahr beschlossen. Es ist eben nicht egal, wer regiert!