Wo bleibt eigentlich die Empörung?

Immer deutlicher wird, dass es rechtsradikale Umtriebe auch in der Bundeswehr, im Verfassungsschutz und in der Polizei gibt. Der jüngste Fall ist Hessen, wo Polizisten offenbar interne Informationen an Neonazis weitergaben. Ermittlungen sind eingeleitet. Zweierlei ist beunruhigend: Dass es gerade in den Sicherheitsorganen des Staates rechte Strukturen gibt und dass der öffentliche Aufschrei ausbleibt. Verglichen mit der Entdeckung des NSU herrscht fast schon Friedhofsruhe, auch in unseren Medien. Nicht, dass nicht berichtet würde, nur haben diese Berichte fast die gleiche Nichtwirkung wie Texte in linken Szeneblättern.

Schon während der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen wurde die versprochene rückhaltlose Aufklärung staatlicherseits blockiert, insbesondere die Verfassungsschutzämter vernichteten „irrtümlich“ Akten in letzter Minute oder verweigerten Auskünfte vor Untersuchungsgremien. Doch es gab auch Beifang. Dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Hessen – jener, der bei einem der Morde anwesend war, nichts gesehen und gehört haben will – von seinen Kollegen „Klein Adolf“ genannt wurde; dass Kollegen der vom NSU ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter offenbar Mitglieder des Ku-Klux-Klan gewesen waren; dass der Thüringer Verfassungsschutz die Fahndung nach den untergetauchten Mitgliedern des NSU-Trios mehrfach behinderte; schließlich auch, dass der Präsident des Thüringischen Verfassungsschutzes selbst rechtsgerichtete Ansichten vertrat und heute als Autor bei rechten Verlagen publiziert.

Sicher, nicht alles davon muss gleich bedeuten, dass die Welt zusammenbricht. Aber der Staat hätte damals nichts unter den Teppich kehren dürfen, das war er den Opfern des NSU schuldig. Nur hören Skandale nicht auf. Plötzlich flog der Bundeswehroffizier Franco A. auf, der zusammen mit anderen rechtsradikale Terroranschläge plante und auch Todeslisten fabrizierte. Das Bemerkenswerte ist, dass Franco A. bereits mit seiner Masterarbeit auffällig wurde, die ein Sammelsurium rechtsradikaler Überzeugung darstellte. Beim Militärischen Abschirmdienst landete keine Information. Ganz nebenbei stellte sich heraus, dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz öffentlich eine eigene politische Agenda verfolgte, die man als Schützenhilfe für die AfD charakterisieren könnte. Schließlich flog das HANNIBAL-Netzwerk auf. Ihm gehörten Soldaten der Bundeswehr, auch vom Kommando Spezialkräfte, Reservisten, Polizisten und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes an. Mit von der Partie war auch Franco A. und man bereitete sich auf den „Tag X“ vor, ein Eingreifen für den Fall einer Staatskrise.

Was ist bei uns los, dass da keine Beunruhigung entsteht? Haben wir uns zu sehr an derartige Nachrichten gewöhnt? Ich will es nicht glauben. Was nötig ist, ist Aufräumarbeit. Schon die Weimarer Republik scheiterte mit daran, dass in Militär, Polizei, Justiz und Verwaltung antidemokratische Einstellungen dominierten. Wenn wir es ernst meinen mit Demokratie und Antifaschismus, dann gehört der Schutz der Verfassung in die Öffentlichkeit. Hier muss aufgeklärt werden, hier müssen dann Konsequenzen gezogen werden.