Politik mal nebenbei

Pause vom Politikbetrieb, Luft holen, loslassen. Es waren lange herbeigesehnte und sehr schöne Tage, leider zu wenige und viel zu kurze! Zeit für die Familie, gut und in Ruhe essen, lesen, rumhängen, Aufregung höchstens mal in der Arena bei den „Eisbären“. Für mich gab es zudem eine vorweihnachtliche Bescherung, wurde ich doch zum dritten Male Großvater. Auch deshalb hat mich, wenngleich ich kein gläubiger Mensch bin, eine himmlische Botschaft besonders bewegt, nämlich die des Astronauten Alexander Gerst an seine Enkel: „Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden.“ Der deutliche Bericht des Weltklimarates einerseits und die letztlich halbherzigen Entscheidungen auf dem Klimagipfel in Katowice andererseits zeigen, wie schwer sich herrschende Politik weiter tut, richtigen Erkenntnissen Taten folgen zu lassen.

Ein paar Überlegungen dazu, warum das so ist, bietet das Buch „Hillbilly Elegie“ von J.D. Vance. Weil ich eben nicht ganz von der Politik lassen kann, habe ich es dieser Tage gelesen. Der Autor hat auf verschiedenen Seiten der amerikanischen Gesellschaft gelebt und weiß: Die Arbeitslosen von Middletown und die Elitestudenten der Yale University leben in unterschiedlichen Welten und haben kaum gemeinsame Erfahrungen. Vance beschreibt die Gesellschaft zu Zeiten der Präsidentschaft von Barack Obama und hilft zu verstehen, wieso danach ein Typ wie Donald Trump ins Weiße Haus gelangte, wieso Arbeiterinnen und Arbeiter oder Abgehängte fernab der Metropolen einem Rassisten und Demagogen ins hohe Amt halfen. Ob nordamerikanischer Rust Belt, Ruhrgebiet oder Lausitz, ob Abgeschiedenheit in den Appalachen, dem Bayerischen Wald oder der Uckermark – Parallelen springen ins Auge, und nichts wäre wohl weniger angebracht als Besserwisserei oder abgehobene Welterklärung gegenüber Menschen, die sich von Gott und der Welt verlassen fühlen.

Aber ich will ja von Tagen berichten, in denen Politik mal eine Nebenrolle spielt. In den Vordergrund rückten also „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ mit den Enkeln anschauen, Doppelkopf mit Freunden oder bei den gefühlt 138. Wiederholungen von „Hoppenstedts“ oder „Dinner for One“ das Gedächtnis trainieren. Zahlreiche weitere Wiederaufführungen boten genügend Gelegenheiten, die eigene Textsicherheit zu prüfen. Dann habe ich mir noch den Thriller „Blutroter Sonntag“ des englischen Autorenduos Nicci French gegönnt. Die Briten sind Meister dieses Faches, wie aktuell auch auf der politischen Bühne zu besichtigen ist.

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche Ihnen ein gesundes und glückliches, ein friedliches und erfolgreiches Jahr 2019. Das erhoffe ich mir auch selbst und habe zudem drei Wünsche:

Erstens wünsche ich mir, dass sich meine Partei und Fraktion voll und ganz auf die Politik konzentrieren, wie es die Bürgerinnen und Bürger zurecht von uns erwarten können. „Mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen“, sagte der Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache. Da müssen auch wir Linke uns angesprochen fühlen. Wir sollen uns kraftvoll, ja, auch lautstark, mit der politischen Konkurrenz auseinandersetzen, nicht mit den eigenen Leuten.

Zweitens kämpfe ich mit um gute Wahlergebnisse der LINKEN – mit einer Europa zugewandten Politik zur Europawahl, bei den Abstimmungen zu den Landesparlamenten in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie bei mehreren Kommunalwahlen und Oberbürgermeisterwahlen. Wir müssen unsere internationale, regionale und kommunale Verankerung verteidigen und möglichst ausbauen!

Drittens muss es den demokratischen Kräften gelingen, Erfolge gegen den Kulturkampf von rechts zu erzielen. Das ist dringend nötig in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt. Es erfordert Klarheit ebenso wie Kompromissfähigkeit, es braucht dazu Courage gleichermaßen wie Verzicht auf Rechthaberei.

Dass die Bundesregierung der Bevölkerung Sicherheit und Orientierung gibt und endlich kraftvolle Schritte für einen sozialen Ausgleich im Land und gegen Waffenexporte unternimmt, hoffe ich sehr. Daran glauben kann ich allerdings nicht. Die Bundeskanzlerin hat zum neuen Jahr an den gesellschaftlichen Zusammenhalt appelliert. So lange in unserem Land allerdings einerseits die Milliardäre reicher und zahlreichen werden, andererseits immer mehr Menschen in Unsicherheit und auch in Armut leben, bleibt das ein frommer Wunsch, um nicht von einem Lippenbekenntnis zu sprechen: Wachsende Ungleichheit, Kinder- und Altersarmut sind schließlich auch Ergebnis einer Politik, die keinen Finger rührt, um eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten auf den Weg zu bringen.

Wie stets im neuen Jahr wird mich einer der ersten Wege in die Gedenkstätte der Sozialisten nach Berlin-Friedrichsfelde zu den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht führen, dieses Mal am Sonntag, dem 13. Januar. Mehr dazu in einer Woche an dieser Stelle.