Zum 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings

Vor fünfzig Jahren, am 21. August 1968, beendeten sowjetische Truppen den Prager Frühling. Damit endete ein Versuch, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, einen demokratischen Sozialismus, aufzubauen.

Infolge der Entstalinisierung in der Sowjetunion begann in verschiedenen sozialistischen Ländern eine Reformära. Nicht nur, dass man die Methoden des Massenterrors hinter sich lassen wollte, man wollte auch Entwicklungsprobleme der Gesellschaft angehen. Dazu gehörten wirtschaftliche und politische Fragen. In der Tschechoslowakei wurde dieser Reformprozess vor allem von Alexander Dubček vorangetrieben. Während eines Studienaufenthalts in der Sowjetunion erlebte er eine bereits offene Diskussion über die Politik Stalins, die ihn inspirierte.

Nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei setzte er sich für die Rehabilitierung von Opfern des stalinistischen Terrors in seinem Land ein, was ihm in einigen Fällen auch gelang, so bei Gustáv Husák, seinem späteren Nachfolger. Nach längeren Auseinandersetzungen innerhalb der Kommunistischen Partei wurde Dubček Anfang 1968 zum Ersten Sekretär, also zum Parteichef, gewählt. Unter seiner Führung schlug die Partei einen reformkommunistischen Kurs ein.

Das Unglück bestand für die Protagonisten des Prager Frühlings darin, dass in der Sowjetunion der Reformkurs durch die Absetzung von Nikita Chruschtschow im Oktober 1964 bereits beendet worden war. In Ländern wie der DDR gab es zwar noch Reformpolitiken, jedoch verliefen diese weniger radikal. Vergleicht man die Reformpolitik von Dubček mit der in der DDR unter Walter Ulbricht, stellt man eine wichtige Differenz fest. Ulbricht wollte auch Wirtschaftsreformen. Die von ihm beförderte Idee eines Neuen Ökonomischen Systems hatte Ähnlichkeiten mit den Ideen zur Wirtschaftsreform in der ČSSR, hier ist deren Architekt Ota Šik hervorzuheben, jedoch scheute Ulbricht weitgehende politische Reformen. Alexander Dubček strebte über die wirtschaftlichen Reformen hinaus weitgehende politische Reformen an. Sein Ziel war eine demokratische Gesellschaft.

Der Einmarsch der sowjetischen Truppen läutete das Ende der Reformperiode ein. 1971 wurde auch Walter Ulbricht entmachtet und seine Wirtschaftsreformen beendet. Aber auch darüber hinaus hatte das gewaltsame Ende des Prager Frühlings Folgen. Es begann eine lange Periode der Reformverweigerung, die letztlich zum Zusammenbruch des Staatssozialismus führte. Einige kommunistische Parteien wie die Italiens und Frankreichs verurteilten den Einmarsch in die Tschechoslowakei. Es begann das, was wir heute Eurokommunismus nennen. Auch Rumänien verurteilte die Niederschlagung des Prager Frühlings. Weniger aus Sympathie, sondern aus dem Interesse der politischen Eigenständigkeit heraus.

Was passierte mit Alexander Dubček? Zunächst verblieb er im Amt des Ersten Sekretärs. Allerdings wurden viele Reformen wieder zurückgenommen und die Macht ging sukzessive an Gustáv Husák über. 1969 verlor das Amt des Ersten Sekretärs, 1970 wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Innerhalb der Tschechoslowakei trat er erst wieder 1989 öffentlich in Erscheinung. Er wurde zum Parlamentspräsidenten gewählt (1989-1991). 1992 starb er an den Folgen eines Autounfalls.

Hätten die Protagonisten des Prager Frühlings Erfolg gehabt, müssten wir heute weniger darum streiten, wie ein demokratischer Sozialismus aussehen könnte. Wir hätten vielleicht ein Modell.