Lothar Bisky

Lothar Bisky

Vor fünf Jahren verstarb Lothar Bisky. Es war ein schwerer Schlag für seine Angehörigen, seine Freunde, so auch für mich, und für die Partei, deren Vorsitzender er lange Zeit war.

In unzähligen Nachrufen, die nach seinem Tod in den Zeitungen standen, tauchte immer wieder ein Gedanke auf: Bisky der Antipolitiker. Eine irreführende Formulierung, auch wenn klar ist, was gemeint war. Lothar entsprach in keiner Weise dem Klischee vom Politiker. Er war unangepasst, aber er kultivierte nicht die Unangepasstheit, er war es einfach nur. Er war nicht laut, er musste nicht „hier“ rufen. Aber jeder hörte ihn, wenn er etwas sagte. Er hatte nicht für alles die immer passende Antwort, aber er ging Fragen auf den Grund, um eine möglicherweise bessere Antwort zu finden.Wenn er eine Rede auf einem Parteitag hielt, spürte man den Wissenschaftler, der er in Wahrheit immer war, und der er wohl auch geblieben wäre, hätten sich die Zeiten 1989 nicht so dramatisch geändert. Es war nie eine Kampfrede. Lothar schien immer etwas zu erörtern, einem unter der politischen Oberfläche liegenden Gegenstand nachzuspüren, ihn abzuklopfen und Fragen zu stellen.

Ich würde behaupten, dass das der eigentliche „PDS-Stil“ war. Nach dem Zusammenbruch dessen, was wir für die bessere Gesellschaft hielten, noch immer für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen, bedeutete zuerst, alles sicher Geglaubte kritisch zu reflektieren. Statt Ausrufezeichen Fragezeichen. Manches von dem, was wir für wahr hielten, stellte sich als noch immer gültig heraus, anderes sogar als gefährlich. Hier waren Menschen wie Lothar nötig. Wer ihn kritisierte, weil selbst anderer Meinung, konnte ihm alles vorwerfen, aber keinen Opportunismus. So war er einfach nicht.

Denn Lothar war geprägt vom Ethos eines Wissenschaftlers. Dazu gehört die Liebe zum Wissen und auch Mut, wenn es Widerstände gab. Den hatte er. Das wissen alle, die ihn als Rektor der Filmhochschule kannten. Mit seinem Amtsantritt rief er die Freiheit aus, vorauseilenden Gehorsam verabscheute er. So konnte er auch in der Partei streiten. Als jemand, der Überzeugungen mit guten Gründen vertreten konnte, den aber Gründe auch überzeugen konnten. Das zeichnet bekanntlich den Vernünftigen aus.

Lothar war schon weg und kam doch wieder, nur weil unsere Partei ihn brauchte. Er hatte ein riesiges Pflichtgefühl der Partei gegenüber. Ja, vielleicht haben wir ihn zu wenig sein eigenes Leben leben lassen.

Mir fehlt er, wie vielen anderen auch. Er fehlt mir als kluger Ratgeber, er fehlt mir als Freund.