Zum Todestag von Fritz Bauer

Vor fünfzig Jahren, am 30. Juni 1968, starb Fritz Bauer, einer der angesehensten Juristen der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Urteil hätten zu seinen Lebzeiten aber nur wenige geteilt. Bauer, ein Sozialdemokrat und Antifaschist, hatte sich, gegen den Widerstand eines Großteils der nazibelasteten westdeutschen Justiz, für die strafrechtliche Verfolgung und – prinzipieller gesprochen – die strafrechtliche Verfolgbarkeit von NS-Verbrechen mit aller Kraft eingesetzt. Damit kämpfte er gegen die restaurative Mentalität der frühen Bundesrepublik, die die Vergangenheit zwar hinter sich lassen wollte, ohne jedoch eine Auseinandersetzung mit dieser zu führen. Sobald er sein Arbeitszimmer verließ, so soll es Fritz Bauer gesagt haben, fühlte er sich in Feindesland.

Seine zweifellos wichtigste Leistung bestand im Zustandekommen der Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Die damalige Justiz stand solch konzentrierten Verfahren skeptisch gegenüber und hätte es bevorzugt, Einzelverfahren an verschiedenen Orten durchzuführen – weit unterhalb des Radars der internationalen Öffentlichkeit. Fritz Bauer konnte jedoch durchsetzen, dass die Prozesse gegen Auschwitz-Täter in Frankfurt am Main stattfinden konnten. So konnte er als hessischer Generalstaatsanwalt mittels seiner Weisungsbefugnis auf das Verfahren einwirken. Der Kommandant von Auschwitz wurde bereits in Warschau angeklagt und verurteilt. Aber viele andere, die in dieser Todesfabrik an leitenden Stellen aktiv waren, mussten sich nun der Anklage stellen.

Ebenfalls von Bedeutung ist seine Rolle bei der Ergreifung Adolf Eichmanns. Wie wir heute wissen, hatte die Bundesregierung Kenntnis vom Aufenthaltsort Eichmanns, jedoch keinerlei Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung. Ebenso war in den Zeiten des Kalten Krieges das Interesse der USA, NS-Verbrecher zu verfolgen, erlahmt. Im Bewusstsein seiner eigenen Machtlosigkeit teilte Fritz Bauer seine Kenntnisse über den Aufenthaltsort Eichmanns mit einem Vertreter des Staates Israel. So kam die Suche nach Eichmann richtig ins Rollen und es gelang seine Ergreifung.

Schließlich noch eine Bemerkung zum Begriff des Unrechtsstaates: Häufig wird dieser Begriff gedankenlos gebraucht. Konkret wurde er jedoch geprägt zur Charakterisierung der nationalsozialistischen Herrschaft. Wenn der NS-Staat ein Unrechtsstaat war, so die Argumentation Bauers zur posthumen Verteidigung der Männer vom 20. Juli, dann ist der Widerstand gegen sie kein Verrat, sondern ein Gebot. Bauer setzte sich mit dieser Argumentation vor Gericht durch. Erstaunlicherweise, da dies Anfang der fünfziger Jahre war. Eine ähnliche Figur nutzte Gustav Radbruch bei der Formulierung der heute so genannten Radbruchschen Formel. In Situationen größten Unrechts kann die Berufung auf geltende Normen nicht ausreichen, um später von einem Rückwirkungsverbot geschützt zu werden.
Es ist wichtig, sich dieser Begriffe zu erinnern. Der Nationalsozialismus war das Staat gewordene Unrecht. Wir leben in Zeiten, da dieses Regime rhetorisch verkleinert wird, der Versuch unternommen wird, es harmloser aussehen zu lassen. Dem können wir auch begegnen, indem wir Fritz Bauer würdigen.