Die gute Botschaft ist, dass es der letzte Haushalt dieser Regierung ist

Der Haushaltsentwurf verdient weder die Prädikate „mutig und zukunftsorientiert“ noch zeugt er von Sparsamkeit. Haushaltskonsolidierung? Fehlanzeige. Eine bessere Einnahmepolitik, die öffentliche Haushalte stärkt? Wird ideologischen Dogmen geopfert. Armut und Reichtum in Deutschland sind das Ergebnis schwarz-gelber Politik.


Rede vor dem Bundestag zum Haushaltsentwurf 2013

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schäuble, Sie haben zu Recht von einer Vertrauenskrise gesprochen. Hierzu kann ich nur eines feststellen: Ihre Koalition und die Regierung haben zu dieser Vertrauenskrise einen erheblichen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der LINKEN)

Erinnern Sie sich an die Äußerungen, die in diesem Sommer gefallen sind: Der Bundeswirtschaftsminister sagt, die Vorstellung vom Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone habe ihren Schrecken verloren. Der bayerische Finanzminister sagt sogar, man müsse an Griechenland ein Exempel statuieren. Was sind denn das für unverantwortliche Aussagen? Da kann doch kein Vertrauen entstehen. Sie sind wesentlich mitverantwortlich dafür, dass es diese Vertrauenskrise in Deutschland und in Europa gibt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen, Deutschland sei gut durch die Krise gekommen. Ja, dieser Haushaltsentwurf bringt zum Ausdruck, dass Sie versuchen, bis zum Wahltag im Jahr 2013 zu kommen. Ich behaupte, dass niemand hier im Hause überblicken kann, ob wir nicht vielleicht ganz schnell in eine große Krise geraten. Doch nichts von dem, was notwendig wäre, ist in diesem Haushaltsentwurf abgebildet.

Ja, es gibt eine sehr gute Botschaft im Zusammenhang mit diesem Haushaltsentwurf, und das ist die Botschaft, dass dies der letzte Haushaltsentwurf dieser Regierung ist. Das ist die gute Botschaft.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Norbert Barthle (CDU/CSU): Auch das stimmt nicht! Es wird 2013 noch einen geben!)

Das ist Anlass, um eine kritische Bilanz zu ziehen. Ich will aus Ihrem Koalitionsvertrag zitieren, in dem steht: Mit Mut zur Zukunft Für unser Land.

Wenn man sich anschaut, was Sie gemacht haben, stellt man fest, dass das ganz knallharte Klientelpolitik war. Daran war nichts mutig, daran ist nichts mutig. Da gibt es keine Zukunftsorientierung. Sie rennen immer den Entwicklungen in Europa hinterher. Das ist keine Politik für die Mehrheit der Menschen in diesem Lande, sondern das ist konsequente Klientelpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zum Kern des Haushaltsentwurfs kommen. Sie sprechen von soliden Staatsfinanzen, und Sie gerieren sich in Europa immer als Klassenprimus, aber in Wahrheit wird viel Wasser gepredigt und Wein getrunken. Schauen wir uns die Zahlen an: Auch im nächsten Jahr wollen Sie neue Schulden machen: 18,8 Milliarden Euro. Wenn man sich die vier Jahre anschaut, stellt man fest, dass das insgesamt 112,2 Milliarden Euro neue Schulden sind. Wenn man angesichts dessen von Sparsamkeit spricht, Herr Barthle, ist das für mich wirklich nicht verständlich. Was hat es mit Sparen zu tun, wenn man neue Schulden macht? Ich habe das Sinnbild von der „schwäbischen Hausfrau“ immer so verstanden, dass man etwas zurücklegt. Das ist hier aber nicht der Fall. Sie haben in dieser Legislaturperiode über 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht.

Um einen Vergleich zu ziehen: In meinem Bundesland, in Mecklenburg-Vorpommern, beträgt der Haushalt des gesamten Landes für ein Jahr 7 Milliarden Euro.

(Otto Fricke (FDP): Und wie viel davon kommt vom Bund?)

Das sind die Relationen. Sie haben inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland auf der Bundesebene Schulden in Höhe von 1,2 Billionen Euro angehäuft. Um das einmal zu veranschaulichen: Wenn wir jeden Monat 1 Milliarde Euro zurückzahlen würden, dann wäre diese Schuld in 168 Jahren noch nicht getilgt. Und dann sagen Sie noch, wir hätten kein Einnahmeproblem. Das ist doch abstrus. Wir müssen bei den Einnahmen etwas tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will etwas zu dem Punkt sagen, den Sie gelobt haben, Herr Schäuble. Sie haben gesagt, dieser Haushaltsplan sei hinsichtlich der Investitionen vorbildlich. Ich kann nur feststellen: Ja, in der Krise sind Investitionen, die den Namen verdienen, also Zukunftsinvestitionen, die Arbeitsplätze bringen und vor allem die Binnennachfrage stärken, sehr dringend notwendig. Aber hier bleibt der Haushaltsentwurf hinter allen Erwartungen und allen Anforderungen zurück. Es gibt keine gestaltende Finanzpolitik. Es wäre nicht einmal mutig, sondern einfach nur normal, im Bereich Investitionen mehr zu tun.

Ich will nur die Themen Städtebauförderung und energetische Gebäudesanierung aufrufen. Diesbezüglich bleiben Sie sogar hinter den Forderungen, die die CDU-Landesminister stellen, zurück.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das ist doch nicht wahr!)

Warum hören Sie denn nicht einmal auf die? Die CDU-Landesminister wollen auch mehr Investitionen, weil dadurch das Handwerk vor Ort und die Konjunktur gefördert werden. In diesem Bereich sind Sie aber nicht nur zurückhaltend, sondern Sie kürzen sogar. Als weitere Beispiele nenne ich den Ausbau der Kitas, der dringend notwendig wäre, und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Überall bleiben Sie hinter den Anforderungen zurück. Krankenhäuser, Schienenwege, all das sind Bereiche, in denen mehr getan werden müsste.

Sie sagen, die Energiewende sei Ihr Anliegen. Abgesehen von der Tatsache, dass es diesbezüglich bisher offensichtlich nur Fehlstarts gab, frage ich mich: Warum kürzen Sie bei der Energieeffizienzforschung? Das ist doch völlig irre. Warum kürzen Sie in diesem Bereich, obwohl das ein Zukunftsthema ist? Das ist eine völlig absurde Investitionspolitik. Das machen Sie falsch. Sie setzen weiter auf den Export. Richtig wäre es, die Binnennachfrage zu stärken.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Zahlen zeigen, dass Sie bei den Investitionen kürzen: 0,8 Prozent weniger. Es sind nur noch 26,1 Milliarden Euro. In den Jahren 2014 bis 2016 wollen Sie noch weiter kürzen. Das ist keine zukunftsorientierte Politik, Herr Schäuble.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrem Haushaltsentwurf gibt es sehr viel Optimismus. Kollege Poß hat von Schönfärberei gesprochen. Ich glaube, da hat er recht. Alle Risiken wurden ausgeblendet, beispielsweise die Schattenhaushalte und die Zinsentwicklung. Glauben Sie denn, dass das Zinsniveau für Deutschland so bleiben wird? Das ist doch wirklich eine absurde Annahme. Das kann sich ganz schnell auch für uns verändern.

Ich glaube im Übrigen, dass hier endlich die Diktatur der Finanzmärkte gebrochen werden muss. Bei der Regulierung sind wir nicht vorangekommen. Elementare Dinge, über die auch Sie geredet haben, sind nicht passiert. Der Schuldenschnitt Griechenlands kostet letztlich den Haushalt 10 Milliarden Euro. Das ist die Realität. Die Haftungsgrößenordnungen, die wir haben über 400 Milliarden Euro , können ganz schnell zu einem großen Problem für die Haushalte werden.

Dann sind da noch die vielen Baustellen in Ihrer Koalition. Das Betreuungsgeld könnte teuer werden. Ich hoffe im Übrigen, Herr Schäuble, dass Sie standhaft sind, wenn die FDP hier wieder Steuersenkungsvorschläge macht. Es wäre ja noch absurder, jetzt über Steuersenkungen nachzudenken. Viele andere Dinge sind risikobehaftet. Deshalb ist diese Haushaltsplanung unsolide.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt will ich Sie einmal zitieren, Herr Schäuble. Es ist zwar schon ein bisschen her, aber Sie haben einmal erklärt, aufgrund der Struktur des Bundeshaushaltes seien Einnahmeverbesserungen zur Haushaltskonsolidierung unvermeidlich. Heute haben Sie etwas ganz anderes gesagt. Ich kann nur sagen: Natürlich haben wir in Deutschland ein Einnahmeproblem. Sie reden nur über die Einkommensteuer. Darauf will ich mich jetzt nicht einlassen. Aber wir haben doch vor allen Dingen ein Problem bei der Vermögensbesteuerung. Bei den vermögensbedingten Steuern, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, ist Deutschland im Vergleich aller OECD-Staaten im unteren Drittel. Daran muss man doch einmal etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Zahl der Vermögensmillionäre in Deutschland steigt jedes Jahr. Inzwischen haben wir 924 000. Warum ist es denn so abstrus, über eine Millionärssteuer nachzudenken? Es gäbe den Freibetrag für Vermögen bis zu 1 Million Euro, und nur das private Vermögen wäre betroffen. Wir würden nicht den Mittelstand gefährden, aber wirklich Einnahmen gerieren.

Im Übrigen wäre es sinnvoll, diese Steuer europaweit durchzusetzen, damit auch in Griechenland Millionäre zur Kasse gebeten werden. Das wäre der richtige Ansatz, um über Einnahmen nachzudenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst in den vergangenen Krisenjahren ist das private Geldvermögen noch einmal angestiegen. Warum denken wir nicht einmal über eine Veränderung bei der Erbschaftsteuer nach? Bis 2020 werden 2,6 Billionen Euro vererbt.

(Otto Fricke (FDP): Wer kriegt denn die Erbschaftsteuer?)

– Die Länder, Herr Fricke; das ist mir bekannt. Aber es ist doch sehr wichtig, dass es auch dort Konsolidierung gibt. Wir sind es, die die Gesetze dafür verändern. Wir müssen das machen. Es ist notwendig, die Einnahmen über die jetzigen 4,2 Milliarden Euro hinaus zu erhöhen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Geldvermögen in Deutschland sind in den letzten Jahren weiter gestiegen. Sie haben gesagt, wie viel dafür bezahlt wird. Aber man muss doch auch einmal feststellen, dass die privaten Geldvermögen in Deutschland im letzten Jahr auf 4,7 Billionen Euro gestiegen sind. Das ist, bezogen auf die letzten 20 Jahre, eine Verdoppelung. Es ist doch etwas nicht in Ordnung, wenn es auf der einen Seite diesen obszönen Reichtum gibt und wir auf der anderen Seite Rentnerinnen und Rentner haben, die in Mülltonnen wühlen, weil sie ihre Rente aufpolieren müssen. Da ist doch irgendetwas nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

In Deutschland besitzt 1 Prozent der Bevölkerung 35,8 Prozent des Vermögens. Da ist doch etwas nicht in Ordnung. Warum haben Sie nicht den Mut, hier einmal wirklich anzugreifen, um irgendetwas bei denjenigen abzuholen?

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Ihrem Haushaltsentwurf öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Das ist skandalös, das ist nicht akzeptabel. Im Übrigen ist Deutschland auch hier im OECD-Vergleich unrühmlich an der Spitze. Reiche sind reicher geworden, und es gibt mehr Menschen in Armut.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sie müssen genau gucken, warum! Wir haben mehr Teilzeitbeschäftigte!)

Sie haben jetzt umfassend von dem Jobwunder Deutschland gesprochen. Erst einmal wird es auch von der Opposition, von der Linken im Besonderen, begrüßt, wenn jemand in Arbeit kommt. Aber es muss gute Arbeit sein. Das Problem in Deutschland ist doch die massenweise prekäre Beschäftigung. Ich will Ihnen nur sagen: Vergleichen Sie die Zahl der Arbeitsstunden, als es 5 Millionen Arbeitslose waren, mit der heutigen Zahl. Interessanterweise ist die Zahl der Arbeitsstunden gleichgeblieben. Das ist doch ein Ausweis dafür, dass wir viel Niedriglohn, viel prekäre Beschäftigung haben. Das müssen wir verändern. Es muss gute Arbeit entstehen, damit nicht immer mehr Menschen in Altersarmut fallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dankenswerterweise hat Frau von der Leyen dieses Problem ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Da muss man wirklich danke sagen. Die Linke spricht darüber schon lange. Aber in dem Fall waren wir mit unserer Öffentlichkeitsarbeit nicht ganz so erfolgreich. Das wird sich sicherlich verbessern.

Eines will ich im Zusammenhang mit dem Haushaltsentwurf aber sagen: Wie können Sie in einer Situation, in der alle zum Thema Altersarmut reden, als Kabinett auf die Idee kommen, die Rentenbeiträge zu senken? Warum senken Sie in dieser Situation die Rentenbeiträge von 19,6 auf 19 Prozent? Nein, wir müssen mehr tun für die Rentnerinnen und Rentner. Das ist doch völlig unbestritten. Es geht um immerhin 71,5 Milliarden Euro. Das ist fast ein Viertel des Haushalts, wie wir alle wissen.

(Otto Fricke (FDP): Sie wollen also mehr ausgeben?)

Gerade deshalb müssen wir hier ein anderes Konzept fahren. Die Senkung ist wirklich ein absurder Vorschlag.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen will ich auf Folgendes verweisen: Altersarmut ist nicht nur ein Zukunftsproblem, sondern auch ein aktuelles Problem. Es wird immer so getan, als würde dies erst 2030 ein Problem werden und als ob nur die sogenannten gebrochenen Erwerbsbiografien davon betroffen wären. Jetzt wissen wir, dass auch Leute, die normal beschäftigt sind, in Altersarmut fallen können. Schon heute gibt es 800 000 Empfänger von Grundsicherung im Alter. Diese Zahl muss uns doch alle alarmieren. In diesem Bereich müssen wir wirklich mehr tun. Natürlich ist ein Mindestlohn wichtig, aber viel mehr Maßnahmen sind notwendig. Ich kann sie jetzt nicht alle darlegen; sicherlich werden Kollegen aus meiner Fraktion dies während der Haushaltsberatungen tun.

Frau Bundeskanzlerin – sie ist nicht mehr da, aber egal -, Sie haben einmal zu Recht formuliert: „… Kranke, Kinder und … Ältere. Die Menschlichkeit unserer Gesellschaft entscheidet sich daran, wie wir mit ihnen umgehen.“ Ja, das ist richtig. Ich kann Sie nur auffordern: Machen Sie das endlich, und reden Sie nicht nur darüber! Lassen Sie nicht zu, dass sich in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Mit diesem Haushaltsentwurf tun Sie das. In diesem Sinne ist es wirklich gut, dass es Ihr letzter ist.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Ist er doch gar nicht! – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Da liegen Sie falsch!)