Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Steuersenkungspläne der Regierungskoalition

Ohne die höhere Belastungen der Reichen sind Steuersenkungspläne wirtschafts-, haushalts- und sozialpolitisch falsch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Barthle, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, zu behaupten, dass die Grünen versuchen, einen Keil in die Koalition zu treiben. Das ist wirklich nicht mehr möglich, weil in dieser Frage der Abstand bereits so groß ist, dass alle Keile dort durchfallen würden.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedauere Sie da wirklich ein bisschen; schließlich müssen Sie sich so vorkommen, als wenn Sie hier permanent irgendwie mit der Schüler-Union agierten. Etwa so ist nämlich das Niveau der Auseinandersetzung auf finanzpolitischem Gebiet.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Noch sieht der ganz glücklich aus!)

Ich will noch einmal festhalten: Diese Koalition will in dieser Legislatur das ist ihr Eckwertebeschluss 117 Milliarden Euro neue Schulden machen 117 Milliarden Euro! Keine einzige Koalition der Bundesrepublik Deutschland hat in einer Legislatur jemals einen solchen Schuldenberg angehäuft. Das ist die Realität. Das ist Ihre Politik.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Damit müssen Sie uns nicht kommen! Da war mal was! Die Finanzkrise!)

Der Haushalt birgt diverse Risiken, was wir alle miteinander wissen. Wir haben es mit dem Thema Griechenland zu tun. Wir haben es mit dem Thema „EU insgesamt“ Portugal, Irland zu tun; das alles wissen Sie. Wir haben es mit der Tatsache zu tun, dass die Finanztransaktionsteuer im Moment, auch dank Ihrer Inaktivität, vermutlich nicht kommen wird. Wir haben es mit dem Thema „Ausfall der Brennelementesteuer“ zu tun. Außerdem haben wir es mit einer Energiewende zu tun, die selbstverständlich Geld kosten wird. Das alles sind einfach Wahrheiten. Ich sage noch einmal: Die 117 Milliarden Euro sind Ihre Zahl. Dennoch reden Sie in dieser Situation über Steuersenkungen.

Ich will klar und eindeutig sagen: Niemand hier im Hause, so hoffe ich, hätte etwas dagegen, bei kleinen und mittleren Einkommen Entlastungen vorzunehmen. Das ist selbstverständlich möglich. Es ist doch Fakt, dass die Normalverdiener in den letzten zehn Jahren Einkommensverluste mit all den Folgen für die Altersvorsorge und für die Konjunktur gehabt haben. Das ist die Realität.

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Was? Da müsste die SPD jetzt aufschreien!)

Niemand hat grundsätzlich etwas gegen Steuersenkungen.

Ich will noch auf die Themen „Mittelstandsbauch“ und „kalte Progression“ eingehen. Natürlich können wir sie gemeinsam angehen. Legen Sie die Zahlen auf den Tisch, präsentieren Sie einen Gesetzentwurf! Und dann können wir handeln. Schon die damalige Partei PDS hat einen Vorschlag zur Abschaffung des Mittelstandsbauchs gemacht.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Genau!)

Legen Sie etwas vor! Dann können wir hier gern in der Sache diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt kommt das Entscheidende: Wenn Sie das machen wollen, müssen Sie über Steuerpolitik als Einnahmepolitik nachdenken. Ihr Vorgehen muss doch dazu führen, dass die Einnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen erhöht werden. Warum ist es in dieser Situation nicht möglich, einmal darüber nachzudenken, bei den Vermögenden etwas abzuholen, um bei kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten? In dem schwierigen Jahr der Krise ist das Bruttoinlandsprodukt zwar um 4,7 Prozent zurückgegangen, allerdings ist die Zahl der Vermögensmillionäre um 6,4 Prozent gestiegen. Das ist die Wahrheit. Es gibt 861.700 Vermögensmillionäre. Warum haben Sie nicht den Mut, hier etwas abzuholen,

(Beifall bei der LINKEN)

um gegebenenfalls für denjenigen in dieser Gesellschaft, die wenig haben, etwas zu finanzieren? Warum ist das nicht so?

Als die FDP an der Regierung war, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent; Rot-Grün hat ihn gesenkt. Warum haben Sie nicht den Mut, in der Spitze etwas draufzulegen? Wenn man unten entlasten will, dann könnte man über diese Dinge doch wirklich reden. Aber das alles machen Sie nicht.

Genauso ist es beim Thema Erbschaftsteuer. Wir brauchen für die öffentlichen Haushalte Bund, Kommune, Land eindeutig mehr Einnahmen, um gegebenenfalls entlasten zu können. Jeder andere Weg der wirklich nur eine Hilfe für die FDP ist wird letztlich scheitern müssen, und er wird auch bei den Menschen in diesem Land kaum anerkannt werden.

(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Wer hilft Ihnen eigentlich?)

Um uns, Herr Lindner, machen Sie sich keine Sorgen. Sie machen Ihre Politik doch vor allem mit Blick auf die Wahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen einmal sehen, welche Partei in die dortigen Parlamente einzieht und welche nicht.

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Das sieht für Sie aber schlecht in Schwerin aus!)

Wir wollen einmal ganz in Ruhe schauen, wer was schafft.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt sogar Menschen, die davon reden, dass diese Steuerentlastung von 10 Milliarden Euro nur Symbolcharakter hat, wie Herr Bräuninger, dem Konjunkturexperten des HWWI. Er sagt: Diese Politik hat nur einen Symbolwert. Ich sage: Das ist nicht so. Es gibt nämlich viel zu viel, was durch den Bundeshaushalt derzeit nicht finanziert wird. Ich will nur ein Stichwort anführen ich könnte viele nennen : Städtebauförderung. Da haben Sie grandios gestrichen. Das war eine Fehlentscheidung; das sagen auch die Kommunalpolitiker von FDP und CDU. Dennoch wollen Sie entlasten und auch an dieser Stelle vielleicht noch mehr streichen. Das ist eine falsche Politik.

Ich will Sie einmal daran erinnern, wie der FDP-Slogan vor der Wahl hieß: Steuersystem einfach, niedrig und gerecht. Jetzt gilt:

(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Jetzt kommt ein Kalauer, oder?)

Umfragewerte der FDP einfach, niedrig und gerecht.
Schönen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Vor einem halben Jahr wäre der ganz lustig gewesen! – Johannes Kahrs (SPD): Der war gut! – Christian Lange (Backnang) (SPD): Der Gag ist immer wieder gut!)